23.10.2010 - NRZ

„Wir sind Kirche“ sieht bei Katholiken viel Gesprächsbedarf

Reformbewegung trifft sich heute zum Bundeskongress in Essen

Thomas Rünker

Essen . „Vielleicht brauchen wir in der Kirche auch einen Schlichter wie bei Stuttgart 21", sagte Christian Weisner von ,,Wir sind Kirche" gestern anlässlich des Bundeskongresses, zu dem sich die kirchenkritische Bewegung heute in Essen trifft. Wie bei dem Bahnprojekt werde auch in der katholischen Kirche „nicht miteinander geredet, falsches geredet und vertuscht".

Die Krise sei längst nicht beendet. Nach der Missbrauchsdebatte brauche die Kirche „eine Art Psychoanalyse", in der sie ihr Verhältnis „zu Macht und Sexualität" kläre, so Weisner. Historisch mag er den nötigen Wandel allenfalls mit der Abkehr von den Hexenverfolgungen vergleichen. Den von der Bischofskonferenz jüngst als Reaktion auf die Verunsicherung vieler Gläubiger angestoßenen Dialogprozess sieht die vor 15 Jahren mit dem Kirchenvolksbegehren gestartete Organisation positiv, bleibt aber skeptisch. Mit Blick auf Struktur und Themen des Dialogs „müssen die Bischöfe jetzt sehr bald sehr konkret werden", so Weisner.

„Großraumseelsorge"

Im Mittelpunkt der Tagung in Essen steht die Frage, wie es angesichts „Priestermangel, Pfarreifusionen und Gemeindesterben" in der Kirche weitergeht, so Magnus Lux. Nach wie vor herrsche in der Kirche ein „klerikales Gemeindeverständnis", nach dem nur dort Gemeinde sein kann, wo auch ein Priester ist, der sie leitet. ,Nur weil so wenig Pfarrer da sind, werden Pfarreien fusioniert", so Lux. Das Argument, auch die Lebensräume der Gläubigen hätten sich - etwa durch den demografischen Wandel - geändert, sei von der Kirche nur vorgeschoben. Eine „Großraumseelsorge" wie im Bistum Essen mit Pfarreien von bis zu 40 000 Gläubigen sei „nicht die Lösung", so Lux. „Da wird der Pfarrer zum Manager und kann nicht mehr Seelsorger sein."

Stattdessen wirbt „Wir sind Kirche" für Gemeinden, die sich an den Lebensräumen der Gläubigen orientieren - und im Zweifel von Laien geleitet werden.

Zuletzt geändert am 28­.10.2010