19.11.2010 - Main-Post

Die Wunden des Missbrauchs

Hilfe für Betroffene – Bewegung „Wir sind Kirche“ tagt in Würzburg

Würzburg (ach) Es ist eine umfangreiche Tagesordnung, die die vier Männer und vier Frauen in der Gaststube des Würzburger Hotels Altstadt noch bis zum heutigen Freitag zu bearbeiten haben: 15 Punkte stehen auf der Einladung. Das Gremium ist das Bundesteam der katholischen Bewegung „Wir sind Kirche“, darunter mit Magnus Lux aus Schonungen auch ein Unterfranke. Doch mehr als die Vorbereitung von Versammlungen und Arbeitskreisen in 2011 bewegt die Gläubigen das zu Ende gehende Jahr. In dem wurde die Kirche von einer Glaubwürdigkeitskrise erschüttert wie selten zuvor. Die zahlreichen Missbrauchsfälle sorgten dafür, dass sich auch die Arbeit von „Wir sind Kirche“ verändert hat. „In den Jahren 2002 bis Anfang 2010 hatten wir rund 250 Fälle an unserem Nottelefon, an dem wir Betroffene von sexueller Gewalt in der Kirche beraten und betreuen. Von Februar bis Oktober waren es 146“, so Wilma Kaegebein aus Holzminden, Mitglied im Bundesteam.

Die Basisbewegung, die sich als Sprachrohr der kritischen Katholiken versteht und die sich für Frauen in der Kirche einsetzt und die Abschaffung des Pflichtzölibats fordert, ist der Meinung, dass die Kirche mit der Aufarbeitung überfordert ist: „Wenn ein Missbrauchsbeauftragter aus einer süddeutschen Diözese jedes Opfer nur auffordert zu beten, dann zeigt das die ganze Hilflosigkeit“, so Kaegebein. Es werde noch immer viel zu viel vertuscht. Eine Menge an Fällen seien zudem noch gar nicht bekannt, weil viele Betroffene mit ihren Anklagen warten, bis die eigenen Eltern gestorben sind: „Denn oft wurde ja den eigenen Kindern nicht geglaubt“, sagt Kaegebein. Christian Weisner, Sprecher von „Wir sind Kirche“, hofft, dass die Kirche nun zumindest bald Entschädigungen zahlt: „Erst wurden die Betroffenen auf die Bischofskonferenz im Herbst vertröstet, jetzt warten alle auf die Ergebnisse des runden Tischs. Deshalb ist bei vielen die Enttäuschung groß, sie haben das Gefühl, alles verläuft im Sand.“

Zuletzt geändert am 03­.12.2010