Dezember 2010 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Von „Stuttgart 21“ lernen!

Die Auseinandersetzung um „Stuttgart 21“, das riesige Bahnhofs- und Stadtumbauprojekt, ist mittlerweile zum Symbol für eine Krise der repräsentativen Demokratie in Deutschland geworden. Es reicht nicht mehr aus, sich nur auf formale Beschlüsse der Parlamente zu berufen, wenn deren Mitglieder, die sich Volksvertreter nennen, anscheinend schon lange den Kontakt zum Volk verloren haben und wenn die Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind.

Auch in der Kirche, die keine Demokratie ist, nehmen die Proteste gegen von oben angeordnete und nicht nachvollziehbare Entscheidungen zu, vor allem bei den Zusammenlegungen und Schließungen von Pfarrgemeinden allüberall. Die bischöflichen Repräsentanten der Kirche haben – und dies nicht erst seit der Aufdeckung der jahrzehntelang vertuschten Missbrauchsskandale – das Vertrauen eines großen Teiles des Kirchenvolkes verloren. Das hat der „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010“ eindeutig gezeigt.

Bei „Stuttgart 21“ bemüht sich der clevere Alt-Politiker Heiner Geißler, die unterschiedlichen Partner für einen Dialog auf Augenhöhe an einen Tisch zu bekommen. Kann Ähnliches auch in unserer Kirche gelingen? Die vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, angekündigte „Dialoginitiative“ hat große Erwartungen erweckt. Doch an der jüngsten gemeinsamen Arbeitstagung von Bischofskonferenz und vom Zentralkomittee der deutschen Katholiken haben viele der eher konservativen Bischöfe gar nicht teilgenommen. Ist die Dialogverweigerung, die das Zentralkomittee bereits vor dem Kirchenvolksbegehren 1995 beklagte, immer noch nicht vorbei? Es wäre fatal, wenn die deutsche „Dialoginitiative“ ebenso sang- und klanglos und vor allem ergebnislos enden würde wie damals der „Dialog für Österreich“.

Die Bischöfe sprechen immer gerne vom „Dienst“, doch letztlich geht es auch in der Kirche um „Macht“. Doch wer kontrolliert die Macht der Hierarchie, der „heiligen Herrschaft“? Für den demokratisch geschulten Staatsbürger sind die Defizite mit Händen zu greifen. Solange die Bischöfe die vom Konzil geforderten Prinzipien von „Dialog“ und „Communio“ verweigern, wird die Kirche in den Negativschlagzeilen bleiben und immer mehr Menschen verlieren. Scheindialoge ohne Transparenz und ohne Ergebnisse werden kein Vertrauen schaffen – weder in Stuttgart noch in unserer Kirche.

Wir sind Kirche Deutschland
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Zuletzt geändert am 08­.12.2010