6.5.2011 - Publik-Forum

Heiliger Romero statt seliger Wojtyla

Eine Initiative stößt auf große Resonanz: Der ökumenische Aufruf, des Märtyrerbischofs aus El Salvador zu gedenken

Von Thomas Seiterich

Gedenkt der Heiligsprechung des Märtyrers San Oscar Romero durch die Armen dieser Erde!« Mit diesem kirchenpolitischen wie gesellschaftspolitischen Aufruf just zum Tag der Seligsprechung des einstigen Romero-Gegners Johannes Pauls II. reagieren kritische Christen auf die römische Beatifizierung des polnischen Papstes. Erdacht hat diese »Geste« Peter Bürger. Er lebt als Buchautor, Theologe und Basischrist in Düsseldorf.

Wie ein Lauffeuer hat sich die Idee verbreitet, weit über Deutschland hinaus. Auch katholische Bischöfe reihen sich ein in den Kreis der Unterzeichnenden: Jacques Gaillot, der Bischof der Ausgegrenzten und Illegalen in Frankreich, und der Franziskanerbischof Luis Flavio Cappio von der Diözese Barra im Innern Brasiliens, die von einem Leben gefährdenden Staudamm-Großprojekt am Rio São Francisco betroffen ist.

Peter Bürger und das mit ihm verbündete ökumenische Hilfswerk Christliche Initiative Romero in Münster wollen erklärtermaßen keinen Promi-Kult. Deshalb ordnen sie weltbekannte Unterstützer wie Hans Küng oder Eugen Drewermann nur als einfache Unterzeichner in die Liste ein. Rund sechzig christliche Initiativen und Vereinigungen, darunter die Leserivitiative Publik, haben den »Ökumenischen Aufruf zum 1. Mai« unterzeichnet sowie rund 350 Einzelpersonen. Unter ihnen sind fünf Dutzend Theologieprofessoren.

Rasant selig -oder in Zeitlupe? Inhaltlich will der Aufruf zum Gedenken an den 1980 am Altar ermordeten Erzbischof Romero »Ermutigung auf dem Weg des Evangeliums sein und zugleich als Umkehrruf in den Kirchen der Reichen gehört werden«. Tatsächlich ist die Geschichte der letzten Lebensjahre des exemplarischen Christen Oscar Romero dramatisch und packend. Mit gutem Grund hat ihn die Kirche der Armen Lateinamerikas gleich nach seinem Märtyrertod »von unten« heiliggesprochen. Im päpstlichen Rom jedoch kommt der offizielle Seligsprechungsprozess für den Erzbischof der Armen nur langsam voran. Bischof Vincenzo Paglia, der aus der sozial und politisch engagierten Bewegung Sant’Egidio stammt und als Postulator im Prozess über die Seligsprechung Romeros wirkt, beklagt, an der Verzögerungen sei eine »Instrumentalisierung« Romeros schuld. Romero werde politisch vereinnahmt, für die Befreiungstheologie.

Heiner Geißler, CDU-Politiker und Unterzeichner des ökumenischen Aufrufes, widerspricht dem mit Leidenschaft: »Johannes Paul II. war durch den Antikommunismus so verblendet, dass er nicht sehen wollte, dass die Befreiungstheologie keine marxistischen Ziele formuliert hat, sondern urchristliche. Der Papst hat geglaubt, die Befreiungstheologen hätten von Karl Marx abgeschrieben, tatsächlich hatten die Marxisten vom Evangelium abgeschrieben.« Geißler bringt das Entweder-oder zwischen Johannes Paul II. und Romero auf den Punkt: Der polnische Papst »hat die Armen regelrecht verraten, indem er Romero geraten hat, ein besseres Verhältnis zur Militärjunta und einem Verbrecher wie Oberst d’Aubuisson anzustreben«.

»Der Papst versteht mich nicht«

Ein grelles Scheinwerferlicht wirft der teils in frommer Glaubenssprache formulierte Aufruf auf eine tragische Begegnung zwischen Johannes Paul II. und dem Erzbischof von San Salvador: »Im Frühjahr 1979, ein Jahr vor seiner Ermordung, fand Bischof Romero bei Papst Johannes Paul II. weder Gehör noch Unterstützung in seinen Bedrängnissen. Mit tiefer Enttäuschung sagte er: ›Ich glaube, ich werde nicht noch einmal nach Rom kommen. Der Papst versteht mich nicht.‹ Der Papst hatte das von Romero mitgebrachte Foto des kurz zuvor ermordeten Priesters Octavio Ortiz sowie andere Dokumente zur Christenverfolgung durch die Handlanger der Reichen gar nicht beachtet und stattdessen nur zur Harmonie mit der salvadorianischen Regierung gemahnt.«

Gegen die derzeit vorherrschende römische Kirchenvorstellung, die, wie bei Johannes Paul II., von den Gläubigen »kindlichen Gehorsam gegenüber dem Heiligen Vater« einfordert, Bischöfe zu Befehlsempfängern und regionalen Filialleitern degradiert und die Nöte der Armen tendenziell unter »ferner liefen« verhandelt, setzt der Romero-Aufruf ein anderes Kirchenbild – das einer gemeinschaftlichen und Gerechtigkeits-sensiblen »Kirche auf dem Weg«. Deshalb endet der Aufruf, am Tag der Seligsprechung Papst Johannes Pauls II. des Märtyrers Oscar Romero zu gedenken, mit dem Satz: »Das Beispiel unseres Bruders San Oscar Romero zeigt uns, wie schön und mutig wir Menschen werden können, wenn wir beginnen, der Botschaft Jesu zuzuhören.«

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Zuletzt geändert am 09­.05.2011