28.4.2011 - Christ&Welt

Santo subito!


ÓSCAR ROMERO Prominente Politiker und Theologen fordern die Heiligsprechung des lateinamerikanischen Erzbischofs. Christ & Welt veröffentlicht exklusiv ihren Appell zur Rehabilitierung der Befreiungstheologie

Von Wolfgang Thielmann

An diesem Freitag um 11.45 Uhr ziehen Kate Middleton und Prinz William zu ihrer Trauung durch das Hauptportal in die Westminster Abbey ein. Dann schreiten sie unter einem Fries über dem Eingang hindurch, der, in Stein gehauen, zehn Märtyrer des 20. Jahrhunderts zeigt. Zwischen Martin Luther King und Dietrich Bonhoeffer findet sich, ein Kind auf dem Arm, Óscar Arnulfo Romero, der vor 31 Jahren von einer Todesschwadron des Militärs ermordete katholische Erzbischof von San Salvador.

Sein Seligsprechungsverfahren stockt seit 2008. Es sei nicht klar, ob er wegen seines Glaubens oder seines politischen Engagements umgebracht worden sei. Für ihn initiieren nun Gruppen aus Kreisen der Kirchenreformbewegung, Einzelpersonen sowie prominente Theologen, Politiker und Denker eine „Heiligsprechung von unten“ (siehe Erklärung rechts).

In zwei Wochen haben 326 Personen und 43 Gruppen die Erklärung unterzeichnet. Die Initiatoren heben sie ungern heraus, doch fallen unter den Unterzeichnern bekannte Personen auf. Etwa der französische Bischof Jacques Gaillot, der aus seiner Diözese Évreux abberufen wurde, nachdem er sich für verheiratete Priester ausgesprochen hatte und Positionen seiner Bischofskollegen infrage stellte. Oder der Politiker Heiner Geißler (siehe Interview auf dieser Seite) und der Theologe Hans Küng, der die deutschen Bischöfe vor einem Jahr zum Widerstand gegen Papst Benedikt XVI. aufgefordert hat, weil der es an Reformwillen fehlen lasse. Zu den 52 Wissenschaftlern, die den Aufruf unterstützen, zählen der Kölner Professor Johannes Brosseder, die Regensburger Kirchengeschichtlerin Sabine Demel, der renommierte Sozialwissenschaftler Friedhelm Hengsbach, der Religionssoziologe Friedhelm Mennekes, der Ethiker Dietmar Mieth, der auch zum Ethikrat des Gesundheitsministeriums gehört, der Dortmunder Theologe Thomas Ruster, die an der Harvard Divinity School in Cambridge/ USA lehrende feministische Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza und der frühere Priester Eugen Drewermann. Zu den evangelischen Unterzeichnern zählen die frühere EKD-Synodale Adelheid von Guttenberg und der Hamburger Theologe und Kirchentagsredner Fulbert Steffensky.

Nach dem Theologen-Memorandum und dem Appell der acht CDU-Politiker ist dies der dritte große Reformvorschlag aus Deutschland an die Adresse der katholischen Kirche. Die neue Aktion findet zudem internationale Unterstützung. Initiativen kritischer Katholiken aus Schweden, Norwegen, der Schweiz, Österreich, Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, den USA, Kanada und Peru haben sich angeschlossen. Romeros Heiligsprechung „durch das Volk“ stellt ein konservatives Politikverständnis Roms infrage, das darauf zielt, zwischen dem Glauben und seinen politischen Konsequenzen genau zu unterscheiden.

Zuletzt geändert am 20­.05.2011