9.7.2011 - Badische Zeitung

Miteinander reden - endlich

In Mannheim treffen sich 300 Katholiken zum Auftakt der Dialoginitiative der Bischofskonferenz.

Wie schlimm steht es wirklich um die katholische Kirche? "Sie waren am Ende mit all ihrer Weisheit", prangt über dem Mahler-Saal im Mannheimer Kongresszentrum, und es war nicht irgendjemand, der das Psalmwort ausgesucht hat, sondern die Deutsche Bischofskonferenz. Die Kirchenoberen haben 300 Gläubige nach Mannheim eingeladen, um einen auf vier Jahre angelegten Dialogprozess zu eröffnen. Angestoßen hat ihn Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals 2010 eine Antwort auf die Glaubwürdigkeitskrise seiner Kirche suchte.

Vier Jahre reden zu so wolkigen Themen wie "Im Heute glauben" – auch in Mannheim sind sich nicht alle sicher, dass seitens der Bischöfe durchweg Interesse an Ergebnissen besteht und dass das Ganze nicht einfach ein Ventil darstellt, um die aufgestaute Empörung verläppern zu lassen. Dazu trägt bei, dass das zweitägige Programm neben Gebet und Gottesdienst zwar vier Arbeitseinheiten vorsieht, inhaltlich aber keinerlei Aussagen trifft und eine Vorbereitung der Teilnehmer unmöglich macht.

Wer will, kann Akzentverschiebungen heraushören.

Die stehen nach der Ankunft also zunächst etwas orientierungslos beieinander und stärken sich für das Kommende: Lachs, Roastbeef, Gänseleber; Hähnchen, Kabeljau, Tortellini – wer ehrenamtlich sein Wochenende opfert, soll sich wenigstens kulinarisch schadlos halten dürfen. Aus den großen Diözesen wie Freiburg sind je neun Teilnehmer da, aus den mittleren sieben, aus den kleinen fünf. Aber auch Orden, Theologie und Verbände stellen Abgeordnete. Die Mehrheit der Freiburger ist aufgrund von Funktionen auserkoren, in die sie demokratisch gewählt wurde; Generalvikar Fridolin Keck, Domkapitular Andreas Möhrle und Akademiedirektor Thomas Herkert sind Ausnahmen. Erzbischof Zollitsch zählt rechnerisch nicht zur Freiburger Delegation – er ist als Vorsitzender der Bischofskonferenz hier.

Als solcher begrüßt er die Teilnehmer zusammen mit Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck schließlich auch, und wer will, kann durchaus Akzentverschiebungen heraushören, die seit den ersten Ankündigungen eingetreten sind. Die Unantastbarkeit der Lehre wird ein wenig stärker betont als die Tatsache, dass die Kirche in ihrem Wesen eine sich immer erneuernde ist. Die Gedanken des Dienens, Zuhörens und der Gemeinschaft klingen auch etwas moduliert: Die Bischöfe lassen mehrfach durchblicken, dass sie es sind, die veranstalten und das Heft in der Hand haben. Sie werden am Samstag beim Resümee auch ohne Laien auf dem Podium sitzen. Im Herbst wollen sie auf ihrer Vollversammlung die Eindrücke reflektieren und dann daraus "lernen, wie wir das nächste, von der Bischofskonferenz geplante Gesprächsforum gestalten werden" (Overbeck): Die Oberhoheit über das Verfahren wird nicht geteilt, Dialog hin, Zuhören her. Overbecks Eingeständnis, "dass wir Bischöfe erst einmal untereinander klären mussten", wie ein solcher Prozess gestaltet werden könne, ist auch ein Indiz, dass er nur um den Preis der zumindest suggerierten Kontrolle überhaupt möglich war.

Andererseits: Die als Gegner des Verfahrens bekannten Hirten sind ohnehin daheimgeblieben, und was die Organisation des Gesprächs selbst angeht, so wurde sie in professionelle Hände gelegt – die Einheiten werden von zwei Unternehmensberaterinnen geleitet, die sich auf Großgruppenarbeit spezialisiert haben und wenig verdächtig sind, Resultate bewusst zu vermeiden.

Wie schlimm steht es also um die katholische Kirche? Zumindest bei ihrer Dialogfähigkeit fängt man offenbar besser ganz unten an: In 39 Kleingruppen stellen sich die Teilnehmer erst einmal gegenseitig vor, umreißen kurz, was Kirche für sie bedeutet, äußern je einen Wunsch und eine Befürchtung für den Verlauf des Dialogs. Es hat etwas durchaus Anrührendes, wie sich gestandene Männer und Frauen unterschiedlichster Hierarchie- und Lebensstufen hier noch einmal nach Landschulheimpädagogik neu begegnen. Die Presse ist in dieser Kennenlernphase bald nicht mehr zugelassen.

Auch nicht zugelassen sind zu ihrer Enttäuschung einschlägige Reformgruppen wie "Wir sind Kirche" – kein Bistum hat einen seiner raren Plätze für eine entsprechende Einladung geopfert. Mehrere Vertreter bevölkern die umliegenden Straßencafés und warten auf Neuigkeiten aus dem Innern des Kongressgebäudes, am liebsten nach dem Vorbild des Zweiten Vatikanischen Konzils, wo die Teilnehmer zwar nur zum Abnicken eingeladen worden seien, dann aber die ganze Tagesordnung über den Haufen geworfen hätten. Aber je länger der Nachmittag dauert, desto unwahrscheinlicher wird das – es gibt ja gar keine Tagesordnung, die gekippt werden könnte.

Kein Platz frei für die Bewegung "Wir sind Kirche"

"Wenn ich ehrlich bin: Ich fühle mich demokratisch legitimiert, und das kann man sich ja bei diesen Bewegungen zumindest schon mal fragen, für wen die so genau sprechen", sagt Franz-Peter Dussing drinnen in der Kaffeepause. "Ich bin in meiner Gemeinde in Gundelfingen als Pfarrgemeinderatsvorsitzender gewählt worden, ich bin als Kirchensteuervertreter gewählt worden." Der extrem konservative Rand sei übrigens ja auch nicht vertreten: "Man hat noch nie von den extremen Flügeln aus etwas sanieren können." Der 56-Jährige empfand die biografische, geografische Mischung in seiner ersten Gruppe als sehr spannend. "Ich bin in meinem Leben aus jedem Prozess, in den ich reingegangen bin, anders rausgekommen, insofern wird es in jedem Fall ein Gewinn für mich. Und als Katholik hoffe ich schon, dass auch der Heilige Geist ein bisschen dabei ist."

Annette Bernards ist mindestens so angetan: "Ich bin begeistert von den Methoden, das ist wirklich modern." Die 57-Jährige ist Vorsitzende des Freiburger Kirchensteuerparlaments und findet es "sehr motivierend, so viele zu sehen, die sich engagieren – auch kritisch". Bei den Wünschen, da sind sich Bernards und Dussing einig, wurde in der ersten Runde ein bunter Strauss geäußert. "Aber die Befürchtungen waren alle sehr ähnlich: Nämlich dass nichts rauskommt. Dass sich nichts tut."

http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/miteinander-reden-endlich--47268079.html

Zuletzt geändert am 09­.07.2011