19.7.2011 - HNA.de

Missbrauchsskandal: Polizei stellt sich auf lange Ermittlungen ein

Hannover. Nach dem Missbrauchsgeständnis eines Pfarrers aus Salzgitter prüft die Polizei, ob sich der Mann über die drei eingeräumten Fälle hinaus an weiteren Kindern vergangen hat.

Dazu werden unter anderem beschlagnahmte Unterlagen des 46-Jährigen zu kirchlichen Jugendreisen ausgewertet, wie die Polizei am Dienstag in Braunschweig mitteilte.

Geprüft werden soll, was für Freizeiten dies gewesen seien und wer dabei gewesen sei. Der seit Samstag in Untersuchungshaft sitzende Pfarrer hatte regelmäßig kirchliche Jugendfreizeiten organisiert. Die Ermittler richten sich auf wochenlange Detailarbeit ein. Ein erneutes Verhör des katholischen Priesters ist zunächst nicht geplant.

Das Bistum Hildesheim möchte unterdessen auf die betroffene Kirchengemeinde in Salzgitter zugehen. Am Dienstagabend wurde Weihbischof Heinz-Günter Bongartz zu einem Gespräch mit dem Pfarrgemeinderat erwartet. Dabei soll geklärt werden, ob der Missbrauchsfall zum Thema in einem Gottesdienst gemacht werden soll.

Von den Fahndern ebenfalls untersucht wird nach Polizeiangaben die Computeranlage des Pfarrers. Augenscheinlich wurde bei den sichergestellten Materialien des 46-Jährigen zunächst kein kinderpornografisches Material gefunden. Wieder aufgerollt werden soll außerdem der Fall eines jungen Mannes, der sich 2007 im Pfarrhaus erschossen hatte. Familiäre Probleme galten damals als Ursache, nun soll auch die Missbrauchsproblematik geprüft werden.

Schon 2006 gab es Hinweise auf den Pfarrer, es folgte eine Ermahnung und 2010 eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft - ergebnislos. Eine schonungslose Aufklärung der Fälle allein reicht nicht, erklärt die kirchliche Basis. Die katholische Kirche müsse den verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität zum Gegenstand ihrer Priesterausbildung machen, sagt Christian Weisner von der Bewegung „Wir sind Kirche“.

Im vergangenen Jahr wurden immer mehr Missbrauchsfälle in kirchlichen Schulen und Gemeinden öffentlich. Die katholische Kirche reagierte: Dazu wurden die erst 2002 eingeführten Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt verschärft. Bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch wird nun automatisch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Der aktuelle Fall zeigt, dass sexuelle Gewalt trotz der Leitlinien nach wie vor vorkommt“, sagt Weisner. Etliche der Täter seien selber Opfer der katholischen Sexualmoral und setzen sich nicht mit dem Thema Sexualität auseinander. (lni)

http://www.hna.de/nachrichten/niedersachsen/missbrauchsskandal-polizei-stellt-sich-lange-ermittlungen-1328778.html

Zuletzt geändert am 20­.07.2011