11.7.20111 Die Welt

Zwischen Hoffen und Bangen

Bischöfe und Laien diskutieren über die Zukunft der katholischen Kirche - Zollitsch warnt vor "Schnellschüssen"

Beim Treffen in Mannheim hielten die Oberhirten das Heft fest in der Hand. Reformgruppen mussten draußen bleiben.

Erzbischof Robert Zollitsch war die Anspannung anzumerken. Immer wieder sprach er vom "Premierencharakter" des Gesprächsforums im Mannheimer Congress Center Rosengarten; es sah so aus, als wollte er sich vorbeugend dafür entschuldigen, dass eben bei einer Uraufführung nicht unbedingt alles glattläuft. Die Befürchtung war unbegründet. Am Ende konnte er die "neue Kommunikations- und Sprachfähigkeit" würdigen. Eine geschickte Regie sorgte dafür, dass bei dem Treffen, von Zollitsch als dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals im Herbst 2010 angestoßen, die Hirten der Kirche jederzeit das Heft in der Hand behielten. 300 Katholiken aus den 27 Bistümern waren zu der Veranstaltung unter dem etwas wolkigen Titel "Im Heute glauben - wo stehen wir?" angereist: Auftakt eines bis zum Jahr 2015 angelegten Gesprächsprozesses mit betont geistlichem Charakter, ohne Tagesordnung. Die Bischofskonferenz wollte zum Beginn der Gespräche eine "möglichst ruhige Atmosphäre" schaffen, die für viele Teilnehmer auch eine "gewisse Unabhängigkeit bedeutet".

Verschnörkelter hätte man die Vorbehalte gegen eine Beobachtung durch die Presse nicht ausdrücken können, erst der zweite Teil des 24-Stunden-Treffens war wieder öffentlich. Dass es im Episkopat Widerstände gegen das Zollitsch-Vorhaben gab, wurde seit Langem gemunkelt. Von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (Essen) kam nun die Bestätigung: Auch die Bischöfe hätten mitunter Schwierigkeiten gehabt, "sich auf diesen Prozess einzulassen".

Die Regisseure des Gesprächsforums hatten die Teilnehmer an 39 runden Tischen mit je acht Stühlen platziert. Bischöfe saßen neben Mitgliedern katholischer Jugendorganisationen, Professoren neben Ordensleuten, Konservative neben eher Liberalen. Man sprach miteinander statt übereinander. Ein jeder erzählte zunächst aus seinem Leben, mancher fühlte sich an die Methodik von Selbsterfahrungsgruppen erinnert.

Das ganze kirchliche Spektrum sollte abgebildet werden. Nur, repräsentativ für den deutschen Katholizismus war das nicht. Es gab keinen einheitlichen Entsendungsmodus. So hat zum Beispiel der Würzburger Diözesanratsvorsitzende Karl-Peter Büttner gemeinsam mit einem Mitglied des Priesterrats sieben Delegierte vorgeschlagen und sich zur Abstimmung mit dem Priesterrats-Sprecher und Bischof Friedhelm Hofmann getroffen. In anderen Bistümern hat der Bischof die Auswahl getroffen. Die organisierten Reformgruppen, Kirchenvolksbewegung und Kirche von unten, wurden erst gar nicht eingeladen. Draußen vor der Tür drückten sie Delegierten und Journalisten ihre "Anfragen" in die Hand: "Abschaffung des Pflichtzölibats, Zugang der Frauen zu allen kirchlichen Ämtern, gemeinsames Abendmahl mit anderen Konfessionen und wieder verheirateten Geschiedenen, Ende der Diskriminierung Homosexueller. Von der Regelung dieser Minimalforderungen hängt die Glaubwürdigkeit aller weiteren Reformanstrengungen ab."

Erzbischof Zollitsch zeigte Verständnis für die Ungeduldigen, die Drängler. Er gestand ein, dass die Seelsorge für wieder verheiratete Geschiedene ein Thema ist, "das den Menschen auf den Nägeln brennt - ebenso die Frage nach einer stärkeren Rolle der Frau in der Kirche oder das künftige Verhältnis von Priestern und Laien". Aber, so sagte er zum Abschluss, man brauche einen langen Atem: "Solche Fragen löst man nicht mit einem Schnellschuss." Alois Glück, der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), brachte die Stimmung in den Arbeitsgruppen auf die Formel: "Zwischen Hoffen und Bangen". Der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Dirk Tänzler, beschrieb die Atmosphäre wie in einem politischen Kommuniqué: "konstruktiv und offen". Kardinal Reinhard Marx (München) beteuerte, die Bischöfe nähmen die Sorgen der Gesprächsteilnehmer ernst: "Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen." Bis es tatsächlich Ergebnisse gibt, die von der Mehrheit der Gläubigen akzeptiert werden können, ist noch viel zu tun. Denn es soll sich nicht das Psalmwort erfüllen, das die Bischofskonferenz gut sichtbar im Tagungsraum angebracht hatte: "Sie waren am Ende mit all ihrer Weisheit." Und es soll auch nicht Christian Weisner, Sprecher der Reformgruppe Wir sind Kirche, recht behalten, der vor Beginn der Gespräche sagte: "Ich fürchte, am Ende bleibt nur: Gut, dass wir so gut über alles geredet haben."

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Zuletzt geändert am 20­.07.2011