13.8.2011 - Die Welt

Mit schwerem Gepäck zum Papst

Deutsche Bischöfe unterrichten Benedikt XVI. über den Dialog mit dem Kirchenvolk

Zollitsch will das Gespräch mit der Basis voranbringen, andere Würdenträger bremsen


Wenn sich heute Vormittag die Pforten der päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo hinter vier hochrangigen Besuchern aus Deutschland schließen, wird dem ohnehin dicken Buch mit kirchlichen Reformvorstellungen ein weiteres Kapitel hinzugefügt: Erstmals wird Benedikt XVI. direkt über den von den deutschen Bischöfen eingeleiteten Gesprächsprozess informiert, der der Kirche nach der Erschütterung durch den Missbrauchsskandal neuen Mut machen soll.

Zur etwa halbstündigen Audienz sind der Episkopatsvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, Kardinal Reinhard Marx (München) und die Bischöfe Franz-Josef Overbeck (Essen) und Franz-Josef Bode (Osnabrück) angereist. Letztere drei sind Mitglieder einer "Steuerungsgruppe", die die Bischofskonferenz für den bis 2015 angelegten Dialog eingerichtet hat.

Die Delegation kommt mit schwerem Gepäck. Beim Gesprächsauftakt am 8. und 9. Juli in Mannheim waren vor allem von katholischen Laien die "heißen Eisen" auf den Tisch gelegt worden: Lockerung des Pflichtzölibats, Gemeindeleitung durch Laien, Diakonat der Frau, eine andere Sexualmoral und Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene. Viele der 300 Delegierten waren euphorisiert nach Hause gefahren. "Die Reformforderungen sind in der Mitte des Kirchenvolkes angekommen", freute sich Christian Weisner von der amtskirchenkritischen Gruppierung "Wir sind Kirche". Und Erzbischof Zollitsch versprach eine Fortsetzung des Dialogs ohne Tabus. Zollitsch gilt als die "Lokomotive" des Zukunftsgesprächs. Auf Zollitsch schauen die Reformer. Er wirbt für eine "Pastoral der Barmherzigkeit" gegenüber Geschiedenen und konfessionsverschiedenen Ehen.

Sein Flug zum Papst ist freilich eine Reise ins Ungewisse. Benedikt XVI., der am 22. September zu seinem ersten offiziellen Besuch nach Deutschland kommt, hat zwar signalisiert, dass er den Dialog "grundsätzlich" gutheiße. Aber in seiner Umgebung wurde klargemacht, dass es keinen deutschen Sonderweg geben könne. Diese Position wurde in Deutschland vor allem von Bischof Overbeck in den vergangenen Tagen bekräftigt: "Es gibt Positionen der Kirche, die sind nicht verhandelbar." Seine Aufgabe als Bischof sei es, für die Tradition einzustehen: "Ich möchte nicht am Zölibat rütteln, nichts an der Haltung zur Sexualität." Man müsse aber einen neuen Stil finden, dies überzeugend zu sagen. So wie Overbeck denkt der betont konservative Flügel des Episkopats. Ein anderer, weniger konfrontativer Stil im Umgang mit Reformforderungen, vielleicht - aber ein entschiedenes Nein zu "utopistischen Modellen des Kircheseins" (Overbeck). Bischof Bode gibt sich aufgeschlossener gegenüber manchen Vorstellungen von kirchlicher Erneuerung, benennt allerdings die Schwierigkeiten. "Das Schwierigste" werde sein, sagte er, den Bischöfen, die nicht nach Mannheim gekommen waren, zu vermitteln, "was wir miteinander erlebt haben" - nämlich die breite Zustimmung zu Reformen. Und Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), warnte vor einer "Kultur der Folgenlosigkeit".

Nach der Begegnung von Castelgandolfo wird sich zeigen, ob die Gespräche einen Schub oder einen Dämpfer erhalten. Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", die in Mannheim nicht zugelassen war, erwartet jedenfalls, dass die vier Bischöfe den Papst "in aller Deutlichkeit" über die Situation in seinem Heimatland und die "immer drängender werdenden pastoralen Notstände" informieren. Der Gesprächsprozess dürfe nicht zur Farce werden: "Deshalb muss der Papst spätestens bei seinem Deutschlandbesuch grünes Licht für den gegenseitigen Austausch geben, der der Bedeutung eines 'Dialogs' und der 'Communio' im Sinne des Zweiten Vatikanums wirklich gerecht wird." Gotteskrise und Kirchenkrise dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Von zwei Seiten her lastet auf Erzbischof Zollitsch immenser Druck: Er muss auf die Empfindungen des konservativen Kirchenflügels Rücksicht nehmen, die bestimmte Reformforderungen für "nicht verhandelbar" erklären und darin hundertprozentig mit dem Papst übereinstimmen. Und er darf die Reformer nicht enttäuschen. Viele haben noch das Schicksal des "Dialogs für Österreich" vor Augen. Er hatte 1997 mit großen Erwartungen begonnen, wurde aber dann bald auf römische Intervention beendet.

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Zuletzt geändert am 16­.08.2011