September 2011 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Papst Amfortas im Deutschen Bundestag

Bayreuther Festspiele 2011: im dritten Akt zieht Parsifal mit erhobenem Speer in den Bundestag (!) ein. Gerade versuchen die parlamentarischen Gralsritter den todessehnsüchtigen König Amfortas zu zwingen, den Kelch mit dem Blut Christi zu enthüllen, dessen Anblick ihnen Lebenskraft gibt. Er hingegen weigert sich, weil ihm der Anblick unermessliche Schmerzen bereitet und seine Wunde zum Bluten bringt, die ihm mit dem Speer, der einst die Seite Jesu durchdrungen hatte, zugefügt worden war. Parsifal, durch „Mitleid wissend, der reine Tor“ bringt den Gralsrittern das Ende ihres Siechtums. „Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug ..“ In dieser Inszenierung von Stefan Herheim spiegelt sich während der Schlussmusik das Publikum auf der Bühne und wird so Teil der Gralsgesellschaft: Die Zukunft, das sind wir.

Berlin 2011: Der Papst zieht in den Bundestag ein und spricht trotz der Trennung von Staat und Kirche zu diesem. Ein schöner Trick der Kirche, dass ihr Oberhaupt zugleich Vertreter eines sehr merkwürdigen, aber völkerrechtlich anerkannten Miniaturstaates ist. Pastoralreisekosten können so bequem abgedrückt werden, was selbst in Spanien zu Protesten beim r.k. Weltjubeltag führte. Unschön, dass weder der Vatikanstaat die Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat, noch diese Rechte in der r. -k. Kirche voll verwirklicht sind.

Was bringt Benedikt? Mitleid und Wissen um die Nöte der Menschen und der Kirche? Hat er, wie Parsifal die Wunde bluten sehen und in sich blutend erlebt? Hat er erkannt, dass nur der Speer selbst die Wunde schließt? Oder wird er wie Amfortas, an der Schnödigkeit der Welt leiden und nur ungleich eleganter, ästhetischer, geschliffener sich der Realität verweigern? Wird er zum wiederholten Mal die Diktatur des Relativismus geißeln und sich weiter selbst in der vorausgesetzten Wahrheit wähnen, statt in der Zeit immer neu zu suchen, wie sie den Menschen vermittelt werden kann? Die Sehnsucht nach Werten, Glauben und Vorbildern ist immer noch vorhanden. Bei der wie Amfortas dahinsiechenden Hierarchie der r.k. Kirche sucht aber kaum noch jemand - dazu im seltsamen Widerspruch das Wähnen unserer Volksvertreter, dass es für unsere Zukunft oder gar für die der Kirche bedeutsam sei, wenn sie dem Papst die Ehre zukommen lassen, vor dem Bundestag sprechen zu dürfen.

Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 27­.08.2011