9.9.2011 - epd

Ver.di-Chef fordert nach Urteil neues Arbeitsrecht für Kirchen - Katholische Klinik darf Arzt nach der zweiten Heirat nicht kündigen

Essen (epd). Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Prozess zur zweiten Heirat eines geschiedenen katholischen Arztes hat ver.di-Chef Frank Bsirske Konsequenzen für kirchliche Arbeitgeber gefordert. Die „vordemokratische Praxis", dass kirchliche Einrichtungen glaubten, sie könnten selbst entscheiden, welche Grundrechte für ihre Beschäftigten nicht gelten sollten, müsse beendet werden, sagte Bsirske der WAZ-Mediengruppe in Essen (Freitagsausgaben).

Das Bundesarbeitsgericht hatte am Donnerstag die Kündigung des Chefarztes einer Düsseldorfer Klinik, der nach seiner Scheidung wieder geheiratet hatte, für ungültig erklärt (AZ: 2 AZR 543/10). Die Richter sahen darin keinen Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre, zu der sich der Mediziner im Arbeitsvertrag bekannt hatte.

Der Bundessprecher der Caritas-Beschäftigten, Thomas Schwendele, sagte: „Wenn nach unseren Maßstäben selbst der Bundespräsident in sündigen Verhältnissen lebt, muss sich die Kirche fragen, wann sie sich endlich der Wirklichkeit stellen will." Er bezog sich dabei auf eine Aussage des Präsidenten des katholischen Wohlfahrtsverbandes Peter Neher. Dieser hatte bereits vor einem Jahr einen anderen Umgang mit Geschiedenen gefordert, „bevor uns Gerichte unsere Unbarmherzigkeit um die Ohren hauen".

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche" bezeichnete das Urteil als „herbe Enttäuschung". „Damit schwebt weiterhin über allen kirchlichen Angestellten die Drohbotschaft der Entlassung aus sittlich-moralischen Gründen", sagte Sprecher Christian Weisner der „Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe). Viele Geschiedene würden dadurch zu nicht-ehelichen Beziehungen gezwungen.

Die Deutsche Bischofskonferenz fühle sich im kirchlichen Arbeitsrecht bestätigt, sagte Sprecher Matthias Kopp: „Wir werden das Urteil im Einzelnen prüfen und die Begründung dann bewerten."

Der religionspolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag, Raju Sharma, sagte: „Das Gericht hat sinnvollerweise das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bekräftigt. Die zweite Botschaft ist aber, dass auch in den Kirchen die Grundrechte der Beschäftigten nicht zur Manövriermasse von Arbeitgeberinteressen gemacht werden dürfen."

In dem Urteil vom Donnerstag hatte das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass ein katholischer Arbeitgeber zur Kündigung nach der Wiederheirat eines Angestellten grundsätzlich berechtigt sei. Die Kirche habe ein Selbstbestimmungsrecht, so dass sie im Arbeitsvertrag auf die Einhaltung ihrer Glaubens- und Sittenlehre bestehen könne, hieß es.

Im konkreten Fall gaben die Richter dem Chefarzt jedoch Recht, weil es in der Klinik zuvor auch andere Chefärzte gegeben hatte, die erneut geheiratet hatten. Ihnen war aber nicht gekündigt worden. Außerdem habe der Arbeitgeber es zwei Jahre lang toleriert, dass der Kläger mit seiner Lebensgefährtin zusammenlebte, obwohl auch das gegen die Glaubens- und Sittenlehre verstoße, erklärte das Gericht.

epd lwd/lnb rks

Zuletzt geändert am 10­.09.2011