9.9.2011 - Neue Osnabrücker Zeitung

Katholischer Arbeitgeber kann wegen Wiederheirat kündigen

Richter am Bundesarbeitsgericht bestätigen Sonderstatus, halten Entlassung eines Düsseldorfer Chefarztes aber für unwirksam

dpa/KNA/hav ERFURT. Wer in Einrichtungen der katholischen Kirche arbeitet, riskiert bei Scheidung und erneuter Heirat auch künftig seinen Job. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte gestern in Erfurt den Sonderstatus der Kirche, der die Entlassung von Mitarbeitern aus sittlich-moralischen Gründen erlaubt. Zugleich hoben die obersten Arbeitsrichter die Kündigung eines Chefarztes am katholischen St.-Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf auf (2 AZR 543/10).

Grundsätzlich, so die Richter, gelte auch im Fall des Chefarztes das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Die Wiederheirat sei ein schwerer Loyalitätsverstoß, der mit Kündigung geahndet werden könne. Im vorliegenden Fall verweisen die Richter aber darauf, dass der Krankenhausträger mit katholischen und evangelischen Mitarbeitern gleiche Arbeitsverträge abgeschlossen, bei protestantischen Kräften bei erneuter Eheschließung aber nicht zum Mittel der Kündigung gegriffen habe. Das Bundesarbeitsgericht folgte in der Sache der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

Der katholische Mediziner hatte 2009 seine Kündigung erhalten, nachdem er ein zweites Mal standesamtlich geheiratet hatte. Zwar habe sich der Kläger nicht korrekt verhalten, aber auch nicht aktiv von der Kirche abgewendet, begründete der Zweite Senat seine Entscheidung. Außerdem habe der Arbeitgeber vor der erneuten Heirat und dann folgenden Kündigung die nicht eheliche Beziehung des Mediziners toleriert. Der Chefarzt hatte so mit seiner Klage in allen Instanzen Erfolg. Die Deutsche Bischofskonferenz betonte, sie fühle sich durch das Urteil im kirchlichen Arbeitsrecht bestätigt. Sie werde das Urteil im Einzelnen prüfen und dann bewerten.

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ wertete das Urteil als „herbe Enttäuschung“. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte der Sprecher Christian Weisner, dies gelte gerade vor dem Bemühen einiger Bischöfe um die Zulassung wiederverheirateter Eheleute zu den Sakramenten. „Damit schwebt weiterhin über allen kirchlichen Angestellten die Drohbotschaft der Entlassung ,aus sittlich-moralischen Gründen‘ “, sagte Weisner. Viele Geschiedene würden zu nicht ehelichen Beziehungen gezwungen. Es sei „äußerst fragwürdig, dass die römisch-katholische Kirche weiter versuche, mithilfe staatlicher Gesetze ihre lebensfremden Moralvorstellungen durchzusetzen. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen sei nicht beliebig, sondern gelte innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. So sehe es das Grundgesetz vor.

Die Kirchen gehören zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Ihr Selbstbestimmungsrecht ist im Grundgesetz verankert. Kirchliche Arbeitgeber haben das Recht, Mitarbeitern bei Verstößen gegen religiöse Grundsätze zu kündigen.

Zuletzt geändert am 09­.09.2011