17.9.2011 -Main-Post

Der Papst und sein Volk

Vor dem Deutschlandbesuch: Rund um die Welt bekennen sich Gläubige zur katholischen Kirche und jubeln dem Papst zu. Doch ausgerechnet in Deutschland haben viele Menschen ein zwiespältiges Verhältnis zum Amt und zu Benedikt XVI.

Wenn der Papst nach Deutschland kommt, dann in einer Doppelrolle, die alles andere als leicht ist: Er besucht seine Heimat und ihre 25 Millionen Katholiken, aber er ist auch der Vertreter der Weltkirche mit fast 1,2 Milliarden Gläubigen. Und nicht alles, was in Deutschland wichtig ist, bewegt auch in anderen Kulturen und Regionen die Katholiken. Dazu kommt: Während die Weltkirche wächst, sinkt hierzulande die Zahl ihrer Mitglieder.

Die größte Vertretung katholischer Gläubiger hierzulande, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, setzt beim Besuch Benedikts hier an. Gerade erst hat man unter dem verheerenden Eindruck des Missbrauchsskandals und der Welle von Kirchenaustritten einen Dialogprozess von Bischöfen und Laien begonnen. Reformwünsche sollen zur Sprache kommen, Möglichkeiten der Veränderung ausgelotet werden. Viele Katholiken in Deutschland leiden unter den Zusammenschlüssen von Gemeinden, unter dem Priestermangel und der Beharrlichkeit, mit der Bischöfe und Papst sperrige Themen wie Priestertum für Frauen, Zwangszölibat, Sexualmoral und die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie ausblenden. Nicht zuletzt mit dem Argument, auf Ebene der Weltkirche habe man solche Probleme nicht und deutsche Reformwünsche seien dort sowieso nicht vermittelbar. Und weil über allem die Einheit der Kirche als hoher Wert schwebt, ist die Debatte dann beendet.

Oder nicht? „Die Weltkirche besteht aus vielen starken Ortskirchen mit ihren spezifischen Eigenheiten, die sich in den jeweiligen Lebenssituationen entwickelt haben“, hieß es unlängst in einem Text des Zentralkomitees. Den kann man ruhig so interpretieren, dass die dort engagierten Katholiken mit ihren Erfahrungen und Wünschen ernst genommen werden wollen. Dazu zählen auch die Reformanstöße, die die Würzburger Synode in den 70er Jahren gegeben hatte: Weltweit versuchte wohl kein anderes Land so intensiv, das Zweite Vatikanische Konzil in seine eigene Situation zu übersetzen.

Die Heimat von Benedikt XVI. ist aber auch das Heimatland der Reformation. Der Besuch des Papstes steht denn auch stark im Zeichen der Ökumene. Im Erfurter Augustinerkloster wird es eine „Ökumenische Begegnung“ geben – an einem geschichtsträchtigen Ort: In dem Kloster hatte Martin Luther als Augustinermönch gelebt.

Freilich darf man von dem Treffen kaum mehr als eine Geste erwarten, zu tief sind die Meinungsunterschiede. Das Amt des Papstes steht einer Einigung ebenso im Wege wie das Kirchenbild und die Abendmahlsfrage.

Bei seinem Besuch in Berlin trifft der Papst auf eine Stadt, die wegen einer zu 60 Prozent konfessionslosen Bevölkerung auch „Hauptstadt des Atheismus“ genannt wurde. Sicher aber ist sie eine multikulturelle und multireligiöse Stadt, in der Katholiken gerade mal gut neun Prozent ausmachen.

Bisweilen offen feindlich sind denn auch die Reaktionen dort. Dass der Papst im Reichstag als Staatsoberhaupt des Vatikan sprechen wird, hat bei einem Teil der Abgeordneten zu Unmut geführt. Aus der Linkspartei hieß es, die Papstrede verletze die Würde der Demokratie, und in der SPD formiert sich ein laizistischer Kreis, der eine klare Trennung von Staat und Kirche fordert. Für den Termin der Rede spätnachmittags am 22. September sind Demonstrationen angekündigt. Schon für den Vorabend plant die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ eine Gegenveranstaltung. Deren Motto: „Wir sind (nicht) Papst.“

Zuletzt geändert am 17­.09.2011