2. September 2006 - Süddeutsche Zeitung

Das blendende Geschäft mit dem Papst

Redakteur Gerhard Wilhelm zum anstehenden Papstbesuch

Was in früheren Zeiten nur bei Großereignissen, so genannten Mega-Stars oder -Filmen passierte, ist heute an der Tagesordnung: die perfekte Vermarktung fast jedes öffentlichen Ereignisses oder einer Person – auch Merchandising genannt. Nach der Fußball-Weltmeisterschaft steht jetzt der Besuch von Papst Benedikt XIV. bevor – und der Rummel darum steigert sich von Tag zu Tag. Der Papst als Marketingereignis funktioniert inzwischen genauso gut, wie Coca Cola oder McDonalds.

Dass auch mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche ein gutes Geschäft gemacht werden kann, kann und sollte nicht verwundern – und es ist auch nicht verwerflich. Es zeigt nur, dass ein Bedarf da ist. Ein Bedarf an Greif- und Zeigbaren, dass man sich für eine bestimmte Sache interessiert.

Bei all dem Trubel um den Besuch fragt man sich: was interessiert die Leute denn? Das Interesse an den Lehren der katholischen Kirche? Oder nur an dem Ereignis selbst? Und welche Absicht vertritt die Kirche dabei? Dass diese am Verkauf von Artikeln mit dem Papstkonterfei oder anderen kirchlichen Insignien mitverdient, ist unleugbar. Es kommt auch kein Zeichen, dass sie es als zu „weltlich“ ablehnt. Der Kommerz hat schon lange den Vatikan erfasst.

Auf der Strecke bleibt bei dem ganzen Trubel um den Besuch von Benedikt XVI. die Auseinandersetzung über wichtige Themen, die viele bewegen, die noch in der Kirche sind – egal ob passiv oder aktiv als regelmäßiger Gottesdienstbesucher oder Laie. Auch die Katholische Landjugendbewegung im Landkreis Dachau hat dies erfahren müssen, als sie versuchte, wenigstens einen Brief persönlich an den Papst überreichen zu dürfen. Darin wurde eine stärkere ökumenische Zusammenarbeit gefordert, eine Neudefinition der Rolle der Frau in der Kirche angeregt. Aber diese Themen sind nicht dazu geeignet, Benedikt XVI. gut in den Medien darzustellen. Jubel ist erlaubt, Kritik nicht erwünscht.

Die katholische Kirche mag mit dem Besuch die Massen bewegen, ändert aber nichts an der skeptischen Haltung vieler Noch-Mitglieder. Die wollen eine Auseinandersetzung mit den Problemen, eine moderne Kirche und keine blendende Stippvisite.

Zuletzt geändert am 03­.09.2006