26.11.2011 SWR.de

Enttäuschung und Begeisterung nach dem Papstbesuch

Nach dem Papstbesuch in Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Unnachgiebigkeit Benedikts XVI. in der kirchlichen Reformdebatte kritisiert. Der Freiburger Bischof Robert Zollitsch glaubt, dass durch den Besuch des Papstes neuer Schwung in die Kirche gekommen ist.

"Innerkirchliche Kritik wird zu schnell als illoyal und ungehorsam hingestellt, statt zu sehen, dass sie aus Sorge erfolgt", so Kretschmann in der Zeitung "Die Welt" (Montagsausgabe). Die Kirche könne ja entscheiden, keine Frauen in Weih- und Leitungsämtern zuzulassen. "Aber dann soll sie es bitte begründen und sich auf den Streit darüber einlassen, statt einfach zu sagen, so war es und so bleibt es", so der Ministerpräsident. Ihm fehlten beim Papstbesuch stärkere Signale zur Ökumene mit der Evangelischen Kirche: "In Baden-Württemberg ist die Hälfte aller Ehen konfessionsverschieden. Es geht um ganz praktische, seelsorgerische Fragen", sagte Kretschmann.

Aus seiner Sicht passe "die ganze Organisation des Vatikans einfach nicht ins 21. Jahrhundert". "Die alte Metapher des Glaubensgehorsams funktioniert nicht mehr. Im Glauben kann man gar nicht gehorchen", sagte Kretschmann, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört: "Im Glauben müssen wir innerlich überzeugt sein."

Beim Thema Ökumene "nicht nur das Trennende sehen"
Der Präsident des ZdK, Alois Glück, bewertete den Deutschlandbesuch des Papstes positiv. Glück sagte der "Passauer Neuen Presse", es sei etwas Besonderes gewesen, wie der Papst Luther gewürdigt habe. Beim Thema Ökumene dürfe man nicht nur das Trennende sehen.

Reformkatholiken und Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche kritisierten, dass der Papst keine Antworten auf aktuelle Fragen gegeben habe. "Die große Mehrheit der Gläubigen kann und will den starren Argumentationen aus Rom einfach nicht mehr folgen", teilte die kritische Laienorganisation "Wir sind Kirche" am Sonntag in Freiburg mit. In seiner letzten Rede in Freiburg hatte Benedikt gefordert, dass die Kirche sich nicht der Gesellschaft anpassen solle.

Nach Ansicht von Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg Stuttgart, hat sich der Papst als kluger und sensibler Mensch gezeigt, "der aufmerksam zuhören und menschlich sehr warm reagieren kann". Fürst sprach gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" (Montagsausgabe) von einem "herausragenden Signal" durch die ökumenische Begegnung.

Polizei und Malteser Hilfsdienst sind zufrieden
Eine positive Bilanz nach der zweitägigen Visite des Papstes in Freiburg zogen Malteser Hilfsdienst und Polizei. 5.000 Polizisten, darunter 1.000 Bundespolizisten, sorgten für einen weitgehend reibungslosen Ablauf der Großveranstaltung. Nach Polizeiangaben gab es keine nennenswerte Störung. Der Malteser Hilfsdienst hatte 1.200 Helfer aktiviert. Es gab 320 Hilfseinsätze. Sechs Menschen mussten zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden. Bei dem für Freiburg beispiellosen Verkehrslenkungseinsatz kam es laut Polizei öfters zu Störungen und Diskussionen. Einerseits weil auswärtigen Polizisten die Ortskenntnis fehlte. Andererseits hatten sich viele Freiburger Bürger über die angekündigten Sperrungen nicht gut genug informiert.

Papst erkundigte sich nach Stuttgart 21
Der Papst hat sich bei seinem Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann nach dem Bahnprojekt Stuttgart 21 erkundigt. Der Politiker sprach auf dem Flughafen Lahr zehn Minuten mit Benedikt XVI. In der ARD sagte Kretschmann, zu seiner großen Überraschung habe der Papst dabei das Thema S21 angesprochen.

Zuletzt geändert am 26­.09.2011