27.9.2011 - Main-Post

Die Kritiker sind vom Papst enttäuscht

Aufruf zum ökumenischen Zusammenschluss

(dpa/san) Nach seinem Deutschland-Besuch sorgt Papst Benedikt XVI. mit der Absage an innerkirchliche Reformen und mehr Ökumene weiter für Diskussionen. Kirchenkritiker äußerten sich am Montag ebenso enttäuscht wie Vertreter der evangelischen Kirche. Dagegen werteten die Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken den viertägigen Besuch in Berlin, Thüringen und Freiburg als großen Erfolg.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, sprach von einem wichtigen Anstoß. Zugleich habe das Kirchenoberhaupt die deutschen Katholiken aber auch vor Herausforderungen gestellt. Darüber müssten die Bischöfe auf ihrer Vollversammlung vom 4. bis 7. Oktober in Fulda reden. Der Papst habe die konkreten Probleme nicht angesprochen, weil es ihm um die grundsätzliche Frage des Glaubens gehe.

Großer Zuspruch

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte mit Verweis auf den großen Zuspruch bei den Papstmessen: „Die Behauptung, dass die deutschen Katholiken Rom und dem Papst kritisch gegenüberstehen, ist nun wirklich widerlegt.“ Auch bei der Ökumene habe es Fortschritte gegeben. „Jetzt besteht die Chance, dass beide Kirchen das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam gestalten können“, sagte Glück.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte sich enttäuscht, dass sich Papst Benedikt XVI. bei seiner Deutschlandreise unnachgiebig gezeigt habe. „Innerkirchliche Kritik wird zu schnell als illoyal und ungehorsam hingestellt, statt zu sehen, dass sie aus Sorge erfolgt“, sagte der engagierte Katholik. Auf „argumentativen Gegenprotest“ gehe die katholische Kirche zu wenig ein.

Der Tübinger Theologe Hans Küng schrieb in einem Gastbeitrag für die „Freie Presse“, Papst Benedikt XVI. habe ein offenes Ohr und ein „hörendes Herz“ versprochen. Tatsächlich habe er aber mit versteinertem Herz auf die Reformanliegen der meisten deutschen Christen reagiert.

Römischer Zentralismus

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock kritisierte den Papstbesuch als „Demonstration des römischen Zentralismus“. Die von Benedikt repräsentierte Kirche „entzieht sich in einer bedrückenden dogmatischen Verengung sogar Diskussionen über Fragen, die gar keine ewigen Glaubenswahrheiten sind“.

Angesichts der herben Enttäuschungen bei der ökumenischen Begegnung des Papstes in Erfurt ruft die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ alle katholischen und evangelischen Gemeinden dazu auf, sich ökumenisch zusammenzuschließen und zu „tun, was uns eint!“. Die Gemeinden sollten die Spaltung der Christenheit für sich als beendet erklären und dem Beispiel der Bruchsaler Kirchengemeinden folgen, die festgestellt haben: „Wir erachten den Willen Jesu Christi, dass alle eins seien, als gewichtiger als alle theologischen und kirchenpolitischen Überlegungen und Fragestellungen und wissen uns der Überzeugung verpflichtet, ihm mehr gehorchen zu müssen als den Menschen.“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung von „Wir sind Kirche“: „Bei seiner Rede im Deutschen Bundestag mag es dem Papst mit der Erwähnung der ökologischen Bewegung gelungen sein, auch manche Kritiker für sich einzunehmen. Der mehrfache berechtigte Verweis auf die Menschenrechte bleibt allerdings so lange unglaubwürdig, solange sich die katholische Kirche nicht selber voll und ganz zu den Menschenrechten bekennt und diese auch in der eigenen Kirche verwirklicht.“

Die Privilegien der Kirche

Der deutsche Staat räumt Kirchen einige Sonderrechte ein. Zu den Privilegien gehören die Erhebung der Kirchensteuer, Religionsunterricht an staatlichen Schulen und theologische Fakultäten an Universitäten.

Eine Trennung von Staat und Kirche ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich festgeschrieben. Allerdings ist geregelt, dass in Deutschland keine Staatskirche besteht und Religionsfreiheit gewährleistet wird. Um die Privilegien zu erhalten, benötigen die Kirchen den Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Dazu müssen sie ausreichend Mitglieder haben. Außerdem wird Rechtstreue verlangt.

Die anerkannten Kirchen erhalten Steuer-, Gebühren- und Kostenbefreiungen. Sie können mit Hilfe der Finanzämter ihre Kirchensteuer eintreiben und selbst Beamte beschäftigen. Gottesdienste und Seelsorge sind bei der Bundeswehr, in Krankenhäusern und Gefängnissen zugelassen. Das Recht, Religionsunterricht in Schulen zu erteilen oder soziale Einrichtungen wie Kindergärten zu betreiben, ist hingegen nicht vom Körperschaftsstatus abhängig. text: dpa

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Zuletzt geändert am 27­.09.2011