28.2.2012 - Süddeutsche Zeitung

Marx geht auf Wiederverheiratete zu

Der Kardinal veröffentlicht seine Empfehlungen zur Zukunft der Kirche – Ehrenamtliche sollen besser qualifiziert werden

Von Franziska Brüning

Es hat lange gedauert, doch nun liegen die Antworten des Kardinals endlich vor: Kurz nachdem die 61 Empfehlungen des Diözesanforums „Dem Glauben Zukunft geben“ von der katholischen Bewegung „Wir sind Kirche“ im Internet veröffentlicht worden sind, hat das Ordinariat die Ausführungen von Reinhard Marx online gestellt. Nicht zu überhören seien in diesen Wochen die Stimmen, die nach einer Antwort des Kardinals auf die Vorlagen des Zukunftsforums fragten, schreibt Marx in einem Nachwort zu seinen Kommentierungen. Und er räumt Versäumnisse ein: Er sei sich bewusst, dass das „ursprünglich in Aussicht gestellte Ziel“, schon Pfingsten 2011 die Antworten zu veröffentlichen, „nicht verwirklicht werden konnte“. Diesen Zeitplan habe man leider nicht einhalten können, heißt es weiter.

Unter www.dem-glauben-zukunft-geben.de kann man nun, fast vier Jahre nach dem Prozessauftakt, die 38 Seiten umfassenden Kurzkommentierungen des Kardinals lesen. Gleich zu Anfang benennt Kardinal Marx die Grenzen des Zukunftsforums, mit dem er ursprünglich die Strukturreform der Diözese begleiten und die Kirche fit für die Zukunft machen wollte. Der Prozess habe sich von Anfang an als „Dialogprozess“ und nicht als „Kirchenparlament“ verstanden. Die Empfehlungen seien „keine Beschlüsse“, die der Erzbischof umzusetzen habe.

Kardinal Marx hat die Empfehlungen unter drei vom Bischofsrat verabschiedete Grundlinien gegliedert. Sie lauten „Miteinander glauben lernen“, „Gemeinsam den Glauben bezeugen“ und „Als Gemeinschaft Kirche sein“. Dabei hat er verschiedene Inhalte der Empfehlungen zusammengezogen und sich manchen Aspekten kürzer oder länger gewidmet. Eine klare Zuordnung seiner Kommentare zu den einzelnen Ergebnissen der Arbeitsgruppen des Zukunftsforums fehlt.

Drei Themen will die Bistumsleitung in Zukunft besonders betonen: die Seelsorge für wiederverheiratete Geschiedene, das pastorale Konzept für die Pfarrverbände und die Ehrenamtsakademie, ein geplantes Forum zur Qualifizierung Ehrenamtlicher.

Zu wiederverheirateten Geschiedenen schreibt Kardinal Marx, dass sich „sicher niemals die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe ändern“ werde, aber dass man die Situation der Geschiedenen und Wiederverheirateten „kirchlich neu in den Blick“ nehmen müsse. Was die gleichberechtigte Stellung der Frau in der Kirche betrifft, erteilt Kardinal Marx etwa dem Diakonat der Frau eine Absage. Eine Erhebung zum Thema Pflichtzölibat in der Diözese lehnt er ab.

Trotz dieser Einschränkungen sieht Uwe Karrer vom Katholikenrat das Ergebnis positiv. Ihn freut, dass Kardinal Marx Prioritäten gesetzt habe und „heiße Eisen“ wie den Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten an den Anfang seiner To-do-Liste gestellt habe. Auch Hans Tremmel vom Diözesanrat spricht von einem „respektablen Ergebnis“. Die Kommentierungen seien in der „gebotenen Kürze relativ ausgewogen“ und böten Raum für weitere Gespräche. Er sei allen Beteiligten für die gute Arbeit „sehr dankbar“. Jetzt müsse die entstandene „verständliche Ungeduld“ in „positive Energie“ umgewandelt werden. „Wir brauchen wieder mehr Vertrauen auf allen Ebenen und in allen „Lagern“ der Kirche“, betont Tremmel.

38 Seiten umfassen die Kommentare von Kardinal Reinhard Marx. dpa






Kommentar: Ein klares Wort, bitte

Von Franziska Brüning

Seit Pfingsten 2011 haben die Gläubigen in der Erzdiözese München und Freising auf Antworten ihres Kardinals auf die Empfehlungen des Zukunftsforums gewartet. Immer wieder wurden sie von der Bistumsleitung vertröstet. Erste Antworten gab es nur häppchenweise auf der Vollversammlung des Diözesanrates im Oktober in Freising, die letzten nun auf der Frühjahrskonferenz der Dekane. Kein Wunder, dass die Gläubigen ungeduldig geworden sind. So viel Einsatz und Energie trägt nicht über eine monatelange Wartezeit ohne Ergebnis. Um so irritierender sind die Kommentierungen von Kardinal Marx. Sie wurden nicht etwa langfristig und prominent angekündigt, sondern kurzfristig am vergangenen Freitagabend ins Internet gestellt. Fast scheint es, als habe man kurzerhand die Notbremse gezogen, nachdem der Druck auf die Bistumsleitung massiv gestiegen ist.

Doch nicht nur die Art und Weise der Veröffentlichung, auch der Inhalt der Kommentierungen verblüfft. Wirklich ausgereift erscheinen die Antworten nicht. Oftmals bleibt Kardinal Marx unverbindlich. An vielen Stellen liest er sich wie ein Unternehmensberater. Vermutlich formuliert er immer dann unklar, wenn er reformorientierte und konservative Sichtweisen unter einen Hut bringen muss. Eines darf er dabei aber nicht vergessen: Die große Mehrheit der Gläubigen schert sich nicht um theologische Auseinandersetzungen. Sie gehen – wenn sie es denn überhaupt noch tun – in die Kirche, um Antworten auf die großen Fragen ihres Lebens zu erhalten. Wenn sich der Kardinal nun hinter der offiziellen Linie der Kirche verschanzt oder vage formuliert, geht er vielleicht kircheninternen Spannungen aus dem Weg. In der Praxis wird die Kirche mit so einer Vorgehensweise aber weiter Gläubige verlieren. Dabei sollte das Zukunftsforum genau das Gegenteil bewirken.

Zuletzt geändert am 28­.02.2012