15.5.2012 - Saarbrücker Zeitung

Aufbruch oder Grabenkampf?

Von dpa-Mitarbeiter Ingo Senft-Werner

Das Motto des Kirchentages kann durchaus zweideutig verstanden werden: "Einen neuen Aufbruch wagen" - das klingt nach neuen Ufern, aber es ist auch denkbar, dass Gräben und Konflikte erneut aufbrechen. Denn bei wichtigen Fragen wie dem Diakonat der Frau und der Aufhebung des Zölibats stehen sich die Mehrheit der Gläubigen und der Vatikan fast unversöhnlich gegenüber (Veröffentlicht am 15.05.2012)

Das Motto des Kirchentages kann durchaus zweideutig verstanden werden: "Einen neuen Aufbruch wagen" - das klingt nach neuen Ufern, aber es ist auch denkbar, dass Gräben und Konflikte erneut aufbrechen. Denn bei wichtigen Fragen wie dem Diakonat der Frau und der Aufhebung des Zölibats stehen sich die Mehrheit der Gläubigen und der Vatikan fast unversöhnlich gegenüber. "Im konstruktiven Dialog" will der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, beim Katholikentag nach Auswegen suchen. Doch was hilft reden, wenn andere das Sagen haben?

Selbst die von Glück propagierte Streitkultur wird mit einem Fragezeichen versehen. Zwar verweist das ZdK immer wieder darauf, "dass es keine Tabuthemen gibt" und der Katholikentag "keine Harmonieveranstaltung" sein muss. Dennoch hegen kritische Basisgruppen Zweifel, dass es zum offenen Gespräch kommen kann. "Auch auf dem Katholikentag bestimmten die Bischöfe die Themen", kritisiert etwa die Initiative "Wir sind Kirche". Ein übergreifendes Thema treibt dabei alle um: Wie geht es mit der katholischen Kirche weiter angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und fehlender Priester? Die Gläubigen fürchten um den Bestand ihrer Kirche im Dorf. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa hat die Richtung vorgegeben: "Wer zum Baumarkt fährt, kann auch zur Kirche fahren." Nicht nur dieses Zitat sorgte für heftige Debatten, sondern auch sein Plan, Wortgottesdienste von Laien am Sonntag zu verbieten.

Damit hat er sich auch den Unmut einiger seiner Kollegen zugezogen, die gerade mit der Stärkung der Laien dem Priestermangel begegnen wollen. Auch Christian Weisner von "Wir sind Kirche" sagt: "Die klerikale Kirche ist out. Wir brauchen eine Mitmachkirche, keine Versorgungskirche." Die entscheidende Frage ist aber: Was dürfen die sogenannten Laien? "Für Eucharistiefeiern und die Heilige Messe hat der Priester die letzte Verantwortung", stellt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, klar. Der Dienst an den Sakramenten bleibt tabu, über alles andere kann geredet werden. Dadurch bleibt jedoch die geringe Zahl der Priester der entscheidende Engpass. Nicht zuletzt deshalb wird der Ruf immer lauter, den Zölibat fallen zu lassen und auch Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Doch bei diesen Fragen kommt aus dem Vatikan nur eine Antwort: Nein.

So kann beim Katholikentag zwar über alles diskutiert werden - aber fast alles wird wohl in den Wind gesprochen sein. Der österreichische Priester-Rebell Helmut Schüller rief Seelsorger und Gläubige offen zum Widerstand auf. "Wenn Reformen nicht von oben offensiver aufgegriffen werden, dann müssen sie einfach unten praktiziert werden." Schüller will nach Mannheim kommen und beim Alternativprogramm mitwirken.

Diese Art Aufbruch hatte das Zentralkomitee allerdings nicht im Sinn bei der Wahl des Mottos. Glück warnt vor einer Kontrastellung und appelliert an die Gesprächsbereitschaft aller Gruppen - auch wenn die Papsttreuen dem Kirchentag weitgehend fern bleiben. Er will weiter an die Macht der Worte glauben: "Ich hoffe, dass wir mit Beharrlichkeit und qualifizierter Diskussion doch viel bewegen können."

http://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-berichte/saarland/Aufbruch-oder-Grabenkampf;art2814,4296321#.T7K3n1Lc9Ao

Zuletzt geändert am 15­.05.2012