16.5.2012 - Badische Zeitung

Ein Aufbruch mit Hindernissen

In Mannheim findet von Mittwoch bis Sonntag der 98. Katholikentag statt / Gastgeberin ist die Erzdiözese Freiburg.

FREIBURG. "Einen neuen Aufbruch wagen" lautet das Motto des 98. Katholikentags, der bis Sonntag in Mannheim stattfindet. Mehr als 50 000 Gäste werden erwartet, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Veranstaltung wird vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) organisiert. Kritiker sind mit einem Alternativprogramm vor Ort.

Rund 1200 Einzelveranstaltungen sieht das Programm des Kirchentags vor, der voraussichtlich 8,3 Millionen Euro kosten wird und in der Regel alle zwei Jahre stattfindet. Das Angebot reicht vom Gottesdienst über Bibelarbeiten, Podiumsdiskussionen und Vorträge bis hin zu Kulturveranstaltungen. Auf einer "Kirchenmeile" werben katholische Verbände, Gruppen und Initiativen für ihre Ziele. Gastgeberin ist in diesem Jahr die Erzdiözese Freiburg, zu deren Einzugsgebiet Mannheim gehört. Das Motto des Katholikentages lautet "Einen neuen Aufbruch wagen" und dies in Zeiten, die für die Katholische Kirche in Deutschland alles andere als einfach sind.

So häufen sich die Kirchenaustritte seit Jahren. Die seit Januar 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsfälle haben diesen Trend zusätzlich verstärkt und auch Menschen aus vermeintlich glaubensnahen Milieus dazu bewegt, der Kirche den Rücken zu kehren. Laut Kirchenstatistik der Deutschen Bischofskonferenz sind in Deutschland 24,6 Millionen Menschen katholisch, rund 30 Prozent der Bevölkerung. 1990 waren es noch 42,7 Prozent. Zudem fehlt es an geeignetem Priesternachwuchs: Gerade noch 120 Kandidaten fürs Priesteramt konnten die Erzdiözesen 2010 deutschlandweit verzeichnen. Die Auswirkungen der Kirchenkrise sind längst auch in den Gemeinden angekommen. Im Zuge der Strukturreform wurden zahlreiche Pfarreien zusammengelegt. In vielen Orten sorgen sich die Menschen um die Zukunft ihrer Kirchengemeinde.

Außerdem herrscht bei wichtigen Themen Uneinigkeit zwischen Kirchenbasis und Vatikan. Während sich viele Gläubige in Deutschland eine Abkehr vom Zölibat und die Zulassung von Frauen zum Diakonat oder gar zur Priesterschaft vorstellen könnten, stoßen solche Forderungen in Rom auf strikte Ablehnung. Inwieweit Mannheim unter diesen Rahmenbedingungen einen Beitrag zum Dialog leisten kann, bleibt abzuwarten.

Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, warnt vor einer Contrastellung und appelliert an die Gesprächsbereitschaft aller Gruppen – auch wenn die Papsttreuen dem Kirchentag weitgehend fern bleiben: "Ich hoffe, dass wir mit Beharrlichkeit und qualifizierter Diskussion doch viel bewegen können." Im konstruktiven Dialog will der ZdK-Präsident nach Auswegen suchen. Das ZdK verweist immer wieder darauf, "dass es keine Tabuthemen gibt" und der Katholikentag "keine Harmonieveranstaltung" sein muss. "Respekt gegenüber den anderen und die Bereitschaft, sich selbst zu verändern, sind Voraussetzungen, die anstehenden Herausforderungen zu meistern", erklärt Glück.

Kritische Basisgruppen hegen Zweifel, dass es zum offenen Gespräch kommen kann und haben ein Alternativprogramm organisiert. "Auch auf dem Katholikentag bestimmen die Bischöfe die Themen", kritisiert etwa die Initiative "Wir sind Kirche". Beim "Ökumenischen Netzwerk Initiative Kirche von unten" überwiegt die Enttäuschung: "Ich hätte mir ein ganz deutliches Aufbruchssignal gewünscht", erklärt Bundesgeschäftsführer Bernd Hans Göhrig. "Dieses Signal ist allerdings ausgeblieben." Beispielsweise seien Bestrebungen in Richtung eines neuen ökumenischen Sozialwortes bereits im Vorfeld von der Bischofskonferenz abgebügelt worden. Stattdessen werde in Mannheim eine Art Wohlfühl-Katholizismus praktiziert, bei dem sozialpolitische Themen kaum eine Rolle spielten. "In Zeiten von Euro- und Finanzkrise ist dies für eine Katholische Kirche nicht genug."

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Zuletzt geändert am 16­.05.2012