19.5.2012 - euronews.com / DAPD

Kirche im Aufbruch oder in der Krise?

Mannheim (dapd). Signal zum Aufbruch oder Zeichen einer tiefen Krise: Einen Tag vor dem Ende des Katholikentags in Mannheim haben die Veranstalter und kirchenkritische Gruppen ein ganz unterschiedliches Fazit gezogen. Der Katholikentag habe gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Menschen mit viel Engagement und Sachkunde für die katholische Kirche einsetzten, sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, am Samstag in Mannheim. Reformgruppen innerhalb der katholischen Kirche kritisierten, der in Mannheim beschworene Aufbruch sei zu zögerlich.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mahnte die Gläubigen zu Geduld. Der innerkirchliche Dialogprozess sei bis 2015 angelegt, und bis dahin würden alle wichtigen Themen angesprochen. So würden die Bischöfe demnächst die Seelsorge der wieder verheirateten Geschiedenen besprechen, die derzeit vom Abendmahl ausgeschlossen sind. Man werde darüber nachdenken, wie hier “pastorale Barmherzigkeit” aussehen könne, doch die Unauflöslichkeit der Ehe stehe nicht infrage, sagte Zollitsch.

Der Freiburger Erzbischof wertete den Katholikentag als wichtige Station auf dem Weg des Dialogprozesses. Es habe sich gezeigt, dass sich die katholische Kirche zu einer hörenden und lernenden Kirche weiter entwickle. Allerdings sei der Katholikentag nicht dazu da, um Reformen zu verkünden.

Glück sagte, das Laientreffen in Mannheim sei auf eine sehr beachtliche Resonanz gestoßen. Mindestens 80.000 Menschen hätten bewusst die Veranstaltungen des Katholikentags besucht, deutlich mehr als erwartet. Die Veranstalter waren im Vorfeld von bis zu 60.000 Besuchern ausgegangen.

Er hoffe, dass die in Mannheim gezeigte Gesprächskultur für den gesamten Dialogprozess der katholischen Kirche Vorbild sein könne, sagte Glück. Zugleich forderte er mehr Anerkennung und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Laien in der katholischen Kirche.

Der Obmann der österreichischen Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, kritisierte, bislang sei der innerkirchliche Dialog ein Gnadenakt von einer Seite, die entscheide, wer des Gesprächs für würdig erachtet werde. Die Basis müsse endlich ein angemessenes Gewicht bei Zukunftsentscheidungen erhalten. Die katholische Kirche sei nach der Reformation “500 Jahre schockgefroren” gewesen und müsse sich endlich den Fragen widmen, die sich in dieser Zeit angehäuft hätten.

Der kritische Theologe Hermann Häring warf den Bischöfen Hinhaltetaktik bei drängenden Fragen vor. In der Debatte um den Priestermangel, den Zölibat und die Ordination von Frauen zeige sich deutlich, wie willkürlich Rom vorgehe. Die offene Polarisierung innerhalb der katholischen Kirche sei beängstigend, da es sie in dieser Form seit der Reformation nicht mehr gegeben habe.

Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung “Wir sind Kirche” kritisierte, der beim Katholikentag beschworene Aufbruch sei sehr verzagt und gebremst. Ohne Veränderungen werde sich die Kirche in die Bedeutungslosigkeit zurück entwickeln. Zugleich kritisierte Weisner den Umgang der Kirchenleitung mit Reformbewegungen. Amtsträger, die sich für Reformen engagierten, würden in einigen Diözesen unter massiven Druck gesetzt oder gar aus ihren Ämtern gedrängt. Das Drohpotenzial erinnere an DDR-Zeiten.

dapd

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Zuletzt geändert am 20­.05.2012