21.5.2012 - Südwest Presse

Pfarrer proben den Ungehorsam

Mannheim. Schweigende Pfarrer - aufmüpfige Gläubige - diese Zweiteilung funktioniert nicht mehr. Das zeigte auch der Katholikentag in Mannheim. Der Unmut über ausbleibende Reformen hat auch Priester erfasst.

Was verbindet die österreichische Pfarrerinitiative mit der hiesigen Aktionsgemeinschaft Rottenburg, in der sich ebenfalls Pfarrer zusammengeschlossen haben? Die Ziele. Was trennt sie? Das Wort "Ungehorsam". Dieses steht über dem Aufruf der rund 400 österreichischen Pfarrer, Nischen zu verlassen und offen das zu tun, was nötig ist, um als Seelsorger in den Kirchengemeinden an der Seite der Menschen zu stehen. Das Wort, das im Vatikan übel aufstößt, ist mehr aus Zufall als mit Bedacht gewählt. "Wir wollten einen Pfingstaufruf machen, doch dann sind wir nicht rechtzeitig fertiggeworden", erzählt Pfarrer Helmut Schüller, der Sprecher der österreichischen Initiative, die sich 2006 gründete.

Beim Katholikentag in Mannheim, der gestern mit einem Gottesdienst zu Ende ging, ist Schüller einer der heimlichen Stars. Und einer der für Klartext steht. "Wir haben keine Glaubenskrise, und wir haben auch keine Kirchenkrise. Wir haben eine Krise der Kirchenleitung", sagt der Österreicher. Formuliert hat Schüller das nicht auf einem Podium des offiziellen Programms, sondern im alternativen Zentrum, das Kirchenreformgruppen organisierten. Der Zulauf war gewaltig.

Schüller steht für Menschen, die Veränderungen in der Kirche wollen. Dialogangebote reichen ihnen nicht. "Ein Monolog mit einem Recht auf Zwischenrufe ist noch kein Dialog", mahnt der Geistliche und formuliert damit die Zweifel, die auch die Dialoginitiative der deutschen Bischöfe begleitet, die der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch im Herbst 2009 ins Leben rief. Bis 2015 soll vieles besprochen werden. Die Themen setzen die Bischöfe. Sie bestimmen auch über was nicht geredet wird - die Rolle der Frau im kirchlichen Amt. Auch die Umsetzung liegt in ihrer Hand. Zuhören allein reiche aber nicht, macht der Augsburger Moraltheologe Hanspeter Heinz deutlich: "Ein Bischof, der nur hört, ist unerhört." Es brauche klare Regeln zur Umsetzung des Gesagten.

Weil es an diesen Regeln mangelt, sei Widerstand im System der römisch-katholischen Kirche nötig, betont Schüller. "Wir haben das Recht, bestimmte Dinge zu sagen." Beispielsweise, dass sich der kirchliche Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ändern muss, dass auch Nicht-Katholiken zur Mahlgemeinschaft eingeladen werden sollen, dass die Leitungsstrukturen der Kirche überdacht und für Laien geöffnet werden müssen.

All das sind Forderungen, die auch die "Aktionsgemeinschaft Rottenburg" vertritt, die aus gut 150 Pfarrern besteht. Die Priester der Diözese Rottenburg-Stuttgart setzen auf Dialog. Doch Pfarrer Stefan Cammerer aus Ulm machte auch deutlich: "Es gibt Schlüsselthemen, die gelöst werden müssen." Die Rolle der Frauen in der Kirche gehört für ihn dazu und das Thema Machtverteilung. Die Ungeduld ist spürbar - bei den Pfarrern in Österreich und hierzulande.

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Pfarrer-proben-den-Ungehorsam;art4306,1470221

Zuletzt geändert am 21­.05.2012