9. September 2006 - Zürcher Tages-Anzeiger

Dogmatiker in den Fussstapfen von Joseph Ratzinger

Gerhard Ludwig Müller, Bischof von Regensburg

Von Michael Meier

Der Besuch Papst Benedikts XVI. anfangs nächster Woche in Regensburg ist die Stunde des Bischof Gerhard Ludwig Müller. Pathetisch spricht er von einem <Jahrtausendereignis> und verspricht sich von ihm <ein neues Selbstbewusstsein> für die Katholiken. Er selber hat das freilich nicht nötig. Der 59-Jährige trägt Beinamen wie <Der General auf dem Bischofssitz> oder <Ayatollah von Regensburg>. Auch körperlich ist der Bischof mit seinen fast zwei Metern eine imponierende Figur. Angeblich wurde seine Mitra eigens etwas kürzer gefertigt, damit er neben Benedikt überhaupt ins TV-Bild passt.

Bischof Müller verbindet einiges mit seinem hohen Besuch, zunächst die Örtlichkeit Regensburg. Als Kardinal war Joseph Ratzinger viermal jährlich ins Bistum Regensburg mit seinen 1, 4 Millionen Katholiken und dem überdurchschnittlich hohen Gottesdienstbesuch gekommen. In der Oberpfalz besuchte er seinen älteren Bruder Georg, den früheren Chef der Regensburger Domspatzen. In Regensburg gehen die Ratzinger-Brüder regelmässig zum Grab ihrer Eltern und ihrer Schwester Maria.

Gerhard Ludwig Müller und Joseph Ratzinger haben auch einen frappierend ähnlichen Werdegang. Beide begannen ihre Karrieren als Professoren der Dogmatik. Und beide begannen sie als aufgeschlossene Theologen. Müller promovierte über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Was dann später eigentlich auf Müller gemünzt war, kann man getrost auch von Ratzinger sagen: <Er gehörte zu den deutschen Theologen, denen das Festhalten an den Grundwahrheiten des Glaubens wichtiger ist als die Beifallsbekundungen des innerkirchlichen Mainstreams>.

Ratzinger lehrte von 1969 bis 1977 an der Universität Regensburg Dogmatik, ehe er Bischof von München und Kardinal wurde. Müller dozierte umgekehrt von 1986 bis 2002 an der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität Dogmatik, ehe er Bischof von Regensburg wurde. Bei seiner prachtvollen Bischofsweihe legte ihm auch Kardinal Ratzinger die Hände auf. Kenner der Szene gehen davon aus, dass Müller sich mit seinem harten kirchenpolitischen Kurs dem Vatikan für den bald frei werdenden Bischofsstuhl von München empfehlen will, der eben mit der Kardinalswürde verbunden ist.

Müller ist als Bischof von Regensburg ähnlich umstritten wie seinerzeit Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation. Der Regensburger Oberhirte kehrt mit eisernem Besen. Die Folge sind Schlagzeilen wie diese: <Das Herrschen ist des Müllers Lust>, <Der Bischof mit der Guillotine>, <Vergiftete Atmosphäre im Bistum Regensburg>, <Laien demonstrieren gegen Bischof Müller>. Was, um Himmels willen, war geschehen? Müller hat kritische Laien und Priester in die Wüste geschickt, die Laiengremien seines Bistums entmachtet oder aufgelöst und dem Professoren-Kollegium in Regenburg den Kontakt zu den kirchlichen Reformbewegungen untersagt. Beispielsweise hat er auch einen Pfarrer vorzeitig in Pension geschickt, der mit Fladenbrot Eucharistie feierte. Erst als der Priester versicherte, das Brot, das er verwende, sei nach einem Rezept der spanischen Bischofskonferenz gebacken, durfte er regulär in Rente gehen.

Er sei eben <kein Direktor einer Folklore-Bewegung>, pflegt Müller seinen Kritikern entgegen zu halten. Und hat sich neben Kardinal Joachim Meisner von Köln zum klar umstrittensten Oberhirten Deutschlands gemausert. Er liebt die Macht, den Streit und geht gerne vor Gericht.

Unter Umständen auch in die Medien. Wer Bischof Müller und dessen Ansichten näher kennen lernen möchte, sollte sich die monatliche Talkshow mit dem Oberhirten auf dem privaten oberbayerischen Fernsehsender TVA ansehen. Interviewt wird er jeweils von keinem anderen als von seinem eigenen Pressesprecher. Die Kritik am journalistisch fragwürdigen Vorgehen wies dieser mit der Bemerkung zurück, dass dies eben <den Führungsstil unseres Diözesanbischofs wiederspiegelt>.

Zuletzt geändert am 18­.09.2006