15.9.2012 - DPA

Katholiken pochen auf Reformen - Worten sollen Taten folgen

Von Michael Evers, dpa

Ungewohnten Reformwillen haben katholische Bischöfe nach einem Treffen mit der Basis signalisiert. Aber haben sie die Mehrheit in der Bischofskonferenz - und wird der Vatikan nicht alles blockieren?

Hannover (dpa) - Seit Jahren pochen reformorientierte Katholiken vergeblich auf Bewegung in ihrer Kirche - bei der Rolle der Frau, der Sexuallehre oder dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Durch Missbrauchsskandal und Mitgliederschwund getrieben, haben die deutschen Bischöfe vor einem Jahr einen Dialogprozess mit der Basis gestartet. Auf einem zweiten Treffen in Hannover wurde am Wochenende unerwartet deutlich Reformwille signalisiert und der Finger in die wunden Punkte gelegt.

Jugend- und Basisbewegungen aber wollen statt Worten endlich konkrete Reformschritte sehen. Wie groß diese ausfallen können, hängt nicht nur vom Vatikan, sondern auch vom Einfluss konservativer Bischöfe ab, die zu dem Treffen erst gar nicht anreisten.

Der damalige Bundespräsident Christian Wulff trug das Dilemma geschiedener und wiederverheirateter Katholiken aus eigener Erfahrung Papst Benedikt XVI. bei dessen Deutschlandbesuch im vergangenen Jahr vor. Obwohl viele der Kirche eng verbunden sind, bleiben sie während der Messfeier von der Teilnahme am Abendmahl ausgeschlossen. Sie sollen in der Bank sitzen, während die Gemeinde nach vorne zum Priester geht und eine geweihte Hostie erhält.

Bei treuen Kirchgängern drücken etliche Geistliche zwar ein Auge zu - Ausnahmen will der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, aber nun in einer Handreichung festlegen. «Bei Wegen in der Abendmahlsfrage werden wir auch das Gespräch mit Rom suchen», sagt er zu seinem Entscheidungsspielraum.

Neben innerkirchlichem Unmut gibt es auch Druck der Politik und Arbeitsgerichte, wenn katholische Einrichtungen Ärzte oder Kindergärtnerinnen entlassen wollen, weil diese nach einer Scheidung eine zweite Ehe eingehen. Nach katholischer Auffassung ist die Ehe unauflöslich, eine Heirat nach Scheidung nicht möglich. Das kirchliche Arbeitsrecht solle überarbeitet werden, kündigte Zollitsch an.

Der Kirche, die Barmherzigkeit predigt, war gerade im Umgang mit eigenen Beschäftigten ein unbarmherziger Kurs angelastet worden. Aus Angst vor Entdeckung und Sanktionen verheimlichten Geschiedene im Kirchendienst ihre neue Beziehung, sagte der Sprecher der Reformbewegung «Wir sind Kirche», Christian Weisner.

Wortgewaltig kündigte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in Hannover an, die katholische Kirche müsse ein weiblicheres Gesicht erhalten - Frauen sollten in Leitungsfunktionen aufrücken. Das Priesteramt aber solle eine männliche Domäne bleiben, schränkte er zugleich ein. Gleiches beim Thema Homosexualität: Die Kirche müsse seelsorgerische Unterstützung bieten und wende sich gegen jegliche Diffamierung - als Lebensform anerkennen könne die Kirche gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften aber nicht.

«Nur wenn die deutschen Bischöfe jetzt endlich auch konkrete Reformschritte in Angriff nehmen, besteht überhaupt noch eine Chance, die akute Kirchenkrise beheben zu können», so reagierte Reformvertreter Weisner auf die Ergebnisse von Hannover. Bei den Wiederverheirateten sollten sich die deutschen Bischöfe engagiert in Rom für eine baldige kirchenrechtliche Lösung einsetzen. Ansonsten drohe eine ähnliche Zerreißprobe mit Rom wie bei der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Konkrete Schritte verlangte auch der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Dirk Tänzler. «Jugendlichen ist es zum Beispiel nicht verständlich, warum Frauen zwar einen Großteil der kirchlichen Arbeit leisten, in Leitungspositionen aber unterrepräsentiert und von bestimmten Ämtern sogar ausgeschlossen sind.»






Katholische Kirche will Frauen mehr Einfluss geben

Von Michael Evers, dpa

Der Ruf der Basis verhallt nicht ungehört: Die Katholische Kirche will sich in drängenden Streitpunkten wie der Rolle der Frau oder dem Umgang mit Wiederverheirateten bewegen. Wie groß ihr Spielraum dabei ist, muss sie aber mit dem Vatikan ausloten. Hannover (dpa) - Die nach dem Missbrauchsskandal verstärkt unter Reformdruck geratene Katholische Kirche strebt Veränderungen in drängenden Grundsatzfragen an: Frauen sollten mehr Einfluss in der Kirche erhalten und Wiederverheiratete unter bestimmten Umständen an der Kommunion teilnehmen können. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Samstag in Hannover.

Die Kirche wolle praktische Lösungen für Wiederverheiratete erarbeiten, die bisher nicht an der Kommunion teilnehmen dürfen. Als Arbeitgeber wolle die Kirche mit dem Ausschluss wiederverheirateter Beschäftigter weniger strikt umgehen. Wie weit die Kirche sich etwa in Streitfragen bewegen wird, ist noch offen: Der Spielraum werde auch mit dem Vatikan auszuloten sein, meinte Zollitsch.

Innerhalb der Kirche sei ein Perspektivenwechsel nötig, betonte der Erzbischof zum Abschluss des zweiten deutschlandweiten Treffens von mehr als 30 Bischöfen und 300 weiteren Delegierten. Mit dem vor einem Jahr gestarteten Dialogprozess von Bischöfen und Basis reagiert die Kirche auf den Missbrauchsskandal, den Schwund von Mitgliedern und einen vielfach beklagten Reformstau.

«Wir haben uns getroffen, um die Zeichen der Zeit zu erkennen», meinte Zollitsch in Hannover. In den Veränderungsprozess sollten Verbände und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das Dachgremium der Laien, miteingebunden werden.

Der Dialogprozess habe eine positive Eigendynamik entwickelt, lobte ZdK-Präsident Alois Glück. «Wir reden offen über Themen, die 20, 30 Jahre tabuisiert waren - die Sexualität ist nur ein Beispiel dafür.» Daraus schöpfe er Hoffnung. «Die Katholische Kirche in Deutschland ist nicht auf dem Rückzug in die Sakristei.»

Mehr Frauen in Leitungspositionen, nicht aber Frauen im Priesteramt - das verlangte in Hannover der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. «Das Thema Diakonat wird uns weiter beschäftigen», sagte die Vizevorsitzende des katholischen deutschen Frauenbundes, Birgit Mock. «Es geht um eine gerechte Beteiligung von Frauen an der Kirche, die nur zukunftsfähig ist, wenn dieses Thema auf gute Weise gelöst ist.»

«Wir sehen selber die Dringlichkeit», sagte der Münchner Bischof, Kardinal Reinhard Marx, zur Notwendigkeit, dass die Kirche sich den Menschen wieder verstärkt zuwendet. «Eine Kirche, die sich auf sich selbst zurückzieht, ist wie ein Ofen, der sich selber wärmen will.»

Konkrete Schritte nach dem zweiten Dialogtreffen verlangte der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Dirk Tänzler. Junge Menschen seien bei dem Treffen unterrepräsentiert gewesen, bemängelte er.

Zuletzt geändert am 18­.09.2012