24.9.2012 - www.dradio.de

Bischofskonferenz zwischen Reformern und Konservativen

Zahlreiche Streitpunkte bei der Herbst-Vollversammlung der katholischen Bischöfe

Die Deutsche Bischofskonferenz bleibt bei ihrer harten Linie im Umgang mit Kirchenaustritten. Wenn sich Menschen in einem öffentlichen Akt von der Kirche distanzierten, müsse das Konsequenzen haben, sagte der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch zum Auftakt der Herbst-Vollversammlung in Fulda.

Ein am Donnerstag veröffentlichtes und vom Vatikan bestätigtes Dekret stellt klar, dass es nicht möglich ist, aus der Kirche auszutreten und zugleich gläubiges Mitglied zu bleiben. Damit macht die katholische Kirche die Mitgliedschaft von der Zahlung der Kirchensteuer abhängig. Austrittswillige sollen demnach in einem Brief über die Folgen des Austritts informiert werden.

"Wir sind Kirche" spricht von "Drohgebärde"

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" sprach von einer Drohbotschaft an das Kirchenvolk. "Pay und Pray!" (Zahle und bete!) sei "ein völlig falsches Signal zum falschen Zeitpunkt", sagte Christian Weisner von den Reformern. Der Beschluss sei keine Motivation, der Kirche treu zu bleiben oder ihr beizutreten.

Die Kirchenbewegung glaubt, dass die deutschen Bischöfe und der Vatikan große Angst haben vor weiteren erheblichen Einnahmeverlusten bei der Kirchensteuer. 2011 sind mehr als 126 000 Menschen in Deutschland aus der Kirche ausgetreten. Fraglich sei außerdem, welche Rechtskraft das Dekret habe, kritisierte "Wir sind Kirche".


Wenn künftig alle Ausgetretenen per Brief zum Gespräch eingeladen und über die Konsequenzen des Austritts informiert würden, handele es sich keinesfalls um eine Drohgebärde, verteidigte dagegen der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, den Beschluss. Jeder Austritt sei für die Kirche schmerzlich. Die Kirche wolle klarstellen, was dieser Schritt konkret für Folgen habe.

Diskussionen über die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche

In den nächsten vier Tagen diskutiert die Deutsche Bischofskonferenz über weitere Menge strittige Themen. Bei ihrer Herbsttagung geht es etwa darum, wie weiblich die katholische Kirche sein darf - und welche Rechte Katholiken haben, die nach einer Scheidung erneut heiraten.

Für "Wir sind Kirche" ist die Sache eindeutig: "Nur wenn die deutschen Bischöfe jetzt endlich auch konkrete Reformschritte in Angriff nehmen, besteht überhaupt noch eine Chance, die akute Kirchenkrise beheben zu können", stellt die kritische Initiative vor Beginn der Herbsttagung klar.

Kommunion auch für Wiederverheiratete?

Geschiedene Menschen, die neu geheiratet haben, müssten bespielsweise nach dem Willen der Reformer unter bestimmten Umständen an der Kommunion teilnehmen dürfen. Auch arbeitsrechtlich sollte Wiederverheirateten von der katholischen Kirche kein Stein in den Weg gelegt werden - nach dem öffentlichen Dienst ist die Kirche der größte Arbeitgeber in Deutschland.

Dieser Vorschlag dürfte in der Runde der 67 Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe aber ebenso für Widerspruch sorgen wie der Ruf nach mehr Einfluss für Frauen in der Kirche. Der Bischof des "Ruhrbistums" Essen, Franz-Josef Overbeck, verlangte, der Kirche "auch ein weibliches Angesicht" zu geben. Leitungsfunktionen in der Kirche könnten möglicherweise stärker von Frauen wahrgenommen werden - das Priesteramt zählte Overbeck, der zu den Konservativen gerechnet wird, ausdrücklich nicht dazu.

Leidenschaftliche Debatten erwartet

Ein Gesprächsforum in Hannover hatte schon einen Vorgeschmack auf die in Fulda zu erwartenden Debatten geliefert. Teilnehmer berichteten von streckenweise emotionalen Auseinandersetzungen. Dafür, dass Themen wie die Sexualmoral oder der Umgang mit Schwulen und Lesben zumindest besprochen werden, gab es Anerkennung, etwa vom grünen Bundestagsabgeordneten Josef Winkler, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken: "Nirgendwo auf der Welt stellen sich Bischöfe einem derartigen Dialog auf Augenhöhe", so Winkler.

Bei ihrer Herbst-Vollversammlung werden sich die Bischöfe auch mit dem Religionsunterricht an Schulen beschäftigen. Zu den weiteren Programmpunkten zählt der Abschlussbericht einer bundesweiten Telefonseelsorgenummer speziell für ehemalige Heimkinder. Das Beratungsangebot ist für Menschen gedacht, die zwischen 1945 und 1975 in katholischen Einrichtungen geschlagen, gedemütigt oder missbraucht wurden. Große Hoffnungen setzen die Bischöfe in ein neugestaltetes Internetportal. Unter katholisch.de will die Kirche regelmäßige Videobotschaften ins Netz stellen.

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Zuletzt geändert am 24­.09.2012