26.9.2012 - welt.de

Katholik scheitert mit partiellem Kirchen-Austritt

Er wolle in der Kirche bleiben, aber keine Steuern mehr zahlen: Mit diesem Vorhaben ist der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp nun vor Gericht gescheitert. Das zuständige Erzbistum frohlockt. Von Gernot Facius

In dem fünf Jahre schwelenden Grundsatzstreit um einen "teilweisen" Austritt aus der katholischen Kirche hat das Bundesverwaltungsgericht Klarheit geschaffen – zugunsten der Position, wie sie von der Deutschen Bischofskonferenz vertreten wird.

Die Leipziger Richter entschieden: Wer formal seinen Austritt bekundet und keine Kirchensteuer mehr zahlt, ist nicht mehr Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Damit ist der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp endgültig mit seinem Versuch gescheitert, die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche von der Kirchensteuer zu trennen.

Zapp hatte vor dem Standesamt im badischen Staufen den Austritt aus der Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts erklärt, aber betont, er verstehe sich weiterhin als gläubiges Glied der Kirche. Die Freiburger Erzdiözese hat das nicht akzeptiert, und so kam ein Verfahren über mehrere Instanzen in Gange.

Das oberste Verwaltungsgericht zog jetzt einen juristischen Schlussstrich. Vor der Leipziger Entscheidung hatte die Deutsche Bischofskonferenz ein mit dem Vatikan abgestimmtes Allgemeines Dekret veröffentlicht.

Es stellte klar: Wer vor einer staatlichen Behörde seinen Kirchenaustritt erklärt, ist zwar nicht mehr automatisch exkommuniziert, sein Schritt ist aber als klarer Bruch mit der Kirche zu verstehen und führt z

um Verlust fast aller kirchlichen Rechte. Angebot zur Rückkehr

Mit einem Brief wird die Kirche von nun an den Kontakt zu dem Ausgetretenen suchen und ihm das Angebot zur Rückkehr machen. Zumindest in diesem Punkt hat Professor Zapp etwas erreicht: Der bisherige Automatismus von Kirchenaustrittserklärung und Exkommunikation wurde gebrochen.

Juristisch ist die Sache geklärt. Die Leipziger Entscheidung sorge für Rechtsklarheit und Steuergerechtigkeit, freute sich das Freiburger Erzbistum, und auch die in Fulda zu ihrer Herbstsitzung versammelten Bischöfe äußerten ihre Genugtuung.

Nun sei klargestellt, dass Kirche "kein zweigliedriges Gebilde" sei – bestehend aus einer Körperschaft und einer Glaubensgemeinschaft.

Theologisch und kirchenpolitisch wird noch nicht Ruhe einkehren. Unter Katholiken in Deutschland nehmen die Zweifel am geltenden Kirchensteuersystem zu. In seltener Übereinstimmung haben die reformorientierte Gruppierung "Wir sind Kirche" und das betont rom- und papsttreue Forum Deutscher Katholiken ihr Unbehagen über das Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz geäußert, das am Montag wirksam geworden ist.

"Wir sind Kirche" sprach von einem "völlig falschen Signal zum gegenwärtigen Zeitpunkt", das Forum erklärte, die Bischöfe zeigten sich "wenig souverän". Es sind vor allem konservative Gruppen, die für Fehlentwicklungen in der Kirche die Existenz der Kirchensteuer mit verantwortlich machen, ihnen wäre ein System der Freiwilligkeit lieber.

"Gläubige zu Beiträgen verpflichtet"

Sie verweisen auf Canon 222 des Kirchenrechts: "Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind." Diese Bestimmung lässt auch andere Formen der Kirchenfinanzierung als die in Deutschland übliche zu. Die Kirchensteuer ist nicht alternativlos.

Papst Benedikt XVI hat noch als Präfekt der römischen Glaubenskongregation 1996 sich so geäußert: "Im großen Ganzen wird, wie mir scheint, das deutsche Kirchensteuersystem heute noch von einem ziemlich breiten Konsens getragen, weil man die Sozialleistung der Kirchen anerkennt.

Vielleicht könnte in Zukunft einmal der Weg in die Richtung des italienischen Systems gehen, das zum einen einen viel niedrigeren Hebesatz hat, zum anderen aber – das scheint mir wichtig – die Freiwilligkeit festhält.

In Italien muss zwar jeder einen bestimmten Satz seines Einkommens einem kulturellen bzw. wohltätigen Zweck zuführen, worunter die katholische Kirche figuriert. Aber er kann den Adressaten frei wählen. Faktisch wählt die ganz große Mehrheit die katholische Kirche, aber die Wahl ist freiwillig."

Churer Modell respektiert Freiheit der Gläubigen

In der Schweiz hat der Bischof von Chur, Vitus Huonder, 2009 in Absprache mit den kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaften das "Churer Modell" eingeführt. Es respektiert die Freiheit der Gläubigen und bietet ihnen die Möglichkeit, statt Kirchensteuern freie Beiträge an eine Solidaritätsstiftung des Bistums zu überweisen.

Um diese "Freiheit des Gewissens" zu respektieren, erklärte das Bistum Chur im August, dürfe in der Schweiz "keine zwingende Verknüpfung hergestellt werden zwischen dem Steuersystem und der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche".

Die Gemeinschaft mit der Kirche sei "an kein Finanzierungssystem gebunden, sondern an die Verbindung mit Jesus Christus – im Glauben, in den Sakramenten und der Einheit mit der kirchlichen Leitung".

Vom obersten Bundesgericht wurde die Möglichkeit eines "partiellen" Kirchenaustritts bestätigt.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article109476612/Katholik-scheitert-mit-partiellem-Kirchen-Austritt.html

Zuletzt geändert am 26­.09.2012