Dezember 2012 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Glauben = Hoffen und Widerstehen!

Die Frankfurter Paulskirche – Symbol für Demokratie und bürgerschaftliches Engagement – war bis auf den letzten Platz gefüllt. Hans Küng erhielt stehende Ovationen, als er seinen bereits vor Jahrzehnten formulierten Aufruf „Wider die Resignation“ erneuerte. Luigi Bettazzi, einer der letzten lebenden Konzilsbischöfe und damals Mitunterzeichner des „Katakombenpakts“, machte deutlich, dass in der Folge des Konzils auch auf Bischofsebene ein anderes Kirchenverständnis möglich war.

Das Wort „aggiornamento“ des Konzilspapstes Johannes XXIII. aufgreifend erinnerten mehr als 30 christliche Reformgruppen Ende Oktober an das vor 50 Jahren eröffnete Zweite Vatikanische Konzil. Die Konziliare Versammlung „Zeichen der Zeit – Hoffnung und Widerstand“ war ein neuer und gelungener Brückenschlag zwischen kirchlichen und gesellschaftspolitischen Reformgruppen. Das Fazit: Kirchenreform und Gesellschaftsreform gehören zusammen, ja bedingen einander. Ein Wachrufen des großen Reformkonzils ist nur glaubhaft, wenn wir auch zu den Fragen der Gerechtigkeit bei uns und weltweit konkret Stellung beziehen. Zum Beispiel auch durch die Protestaktionen der Ordensleute für den Frieden im Frankfurter Bankenviertel.

Die Glut des konziliaren Aufbruchsfeuers muss neu freigelegt und entfacht werden. In der Abschlussbotschaft der Konziliaren Versammlung 2012 heißt es: „Als pilgerndes Volk Gottes in den Wirren und Konflikten unserer Tage eint uns der Wille, das Vermächtnis des Konzils und des konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heute zu leben, die ‚Zeichen der Zeit’ zu erkennen und Alternativen zur neoliberalen Herrschaft von Kapital- und Gewinnsucht zu praktizieren. Eine andere, eine prophetische und diakonische Kirche ist nötig und möglich; eine andere Kirche, die Gleichstellung aller Geschlechter und Lebensformen, Partizipation und Dialog, radikale Demokratie und tiefe Schöpfungsverbundenheit verwirklicht!“

Der vom Konzil angestrebten „Verweltlichung“ durch eine glaubhafte Verkündigung der Reich-Gottes-Botschaft Jesu stehen die überkommenen kirchlichen Strukturen jedoch nach wie vor im Wege. Deshalb ist Hoffen und Widerstehen angesagt! Die derzeitigen Spannungen innerhalb der katholischen Weltkirche sind schmerzhaft. Aber es wächst auch die Hoffnung, dass gerade jetzt im Jubiläumsjahr des Konzils und im Jahr des Glaubens die eigentliche Botschaft des Konzils wieder uns bewusst und lebendig wird.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 03­.12.2012