8. September 2006 - KNA

Unterschiedliche Reaktionen auf Papst-Besuch in Bayern

Bonn (KNA) CDU und Grüne haben vor dem Papstbesuch in Bayern die Bedeutung Benedikts XVI. und der Kirche für den gesellschaftlichen Frieden gewürdigt. Zweifel am Sinn des Massenereignisses äußerte Ex-Fernsehpfarrer Jürgen Fliege. Heftige Kritik an der Visite übte die frühere Theologieprofessorin Uta Ranke-Heinemann.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte in Berlin, der Papst sei für viele Menschen eine große moralische Autorität und gebe ihnen Halt und Vertrauen in einer Zeit, in der "sich vieles schnell wandelt und in Frage gestellt wird". Pofalla äußerte den Wunsch, dass der Papstbesuch erneut zu einem Zeichen für die herausragende Bedeutung von Glaube und Wertebindung gerade auch für junge Leute werde.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte im Nachrichtensender N24: "Wir brauchen so eine Institution wie die Kirche und auch so eine Persönlichkeit wie Papst Benedikt, um klarzumachen, dass soziale Verantwortung wichtige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit jeder Gesellschaft ist". Sie erwarte sich viel vom Besuch des Papstes, gerade auch mit Blick auf den interreligiösen Dialog. Zugleich forderte sie eine Öffnung der katholischen Kirche für alternative Lebensformen. Der Kirche täte es gut, "alte, traditionelle Denk- und Vorschreibmuster" zu überwinden. Roth nannte das Verhältnis zu Homosexuellen, Beziehungen ohne Trauschein und die Rolle der Frau.

Fliege bezweifelt Sinn von Massenereignis Papstbesuch

Fliege sagte dem Nachrichtensender N24, ein Massenereignis wie der Papstbesuch könne keine wirkliche Gottesbegegnung schaffen. "Wenn man das von außen betrachtet, ist das nichts anderes als Robbie Williams - nur für ein anderes Publikum." Er selber suche "eine Frömmigkeit, die aus der Stille kommt". Wer im dritten Jahrtausend wirklich eine Gottesbegegnung haben möchte, sollte ans Meer fahren, in die Berge gehen, in den Sternenhimmel schauen oder in die Wüste gehen, fügte der Theologe hinzu. Den Papst lobte Fliege als einen vorsichtigen und leisen Mann. "Und wer leise ist, hat ein Verständnis dafür, wo Gottesbegegnungen stattfinden: immer in der Stille und nie im Hype."

Nach Einschätzung des protestantischen Theologen gibt es derzeit einen Aufbruch und einen Frühling an religiösen Sinnfragen in Deutschland - "mit und ohne Papst". Dabei seien die Christen in Mitteleuropa das schwierigste Missionsgebiet der ganzen Welt. "Überall kann man leichter über Religion reden als in Deutschland."

Erwartungen an den Papst

Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" bekundete Freude über den Besuch, formulierte aber zugleich Erwartungen. Benedikt XVI. sei zumindest mit Worten ein Brückenbauer, sagte Norbert Scholl von der Initiative im Bayerischen Rundfunk. Nun aber müssten Taten folgen. So sollten verheiratete Männer zum Priesteramt und wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden.

Heftige Kritik am Papstbesuch äußerte die emeritierte katholische Theologie-Professorin Uta Ranke-Heinemann. Sie erklärte in Essen, es handele sich um "das gleiche Frömmigkeitsspektakel wie bei seinem Vorgänger, nur dass es statt 20 Millionen Mark jetzt 20 Millionen Euro kostet". Ranke-Heinemann warf der Kirche vor, weit ab von den Problemen der Menschen zu sein. Die Visite in Bayern sei eine "nostalgische Reise in die eigene Vergangenheit des Papstes". Von den Fragen und Sorgen der übrigen Menschheit aber hätten sich die "zölibatären Hirten" längst verabschiedet. "Ihre Frauen- und Sexualfeindlichkeit allerdings ist uns geblieben", schreibt die 78-Jährige. "Angesichts der Millionen Aids-Infizierten und -Toten auf Grund des kirchlichen Kondomverbots sollten die 20 Millionen Euro lieber für die Opfer verwendet werden."

cas/amo

Zuletzt geändert am 16­.09.2006