20.2.2013 - Süddeutsche Zeitung

Fremde Welten

Beim Frühjahrstreffen der Bischöfe bleibt der Protest leise. Doch die Gräben zwischen Kirche und Volk sind unübersehbar Trier – Die Winterkälte zieht über den Domplatz und lässt das Dutzend Demonstranten in die Mäntel kriechen. Die Transparente rascheln wie trockenes Laub, selbst der dicke Bischof aus Pappmaschee, der da sein Gewand über die Missbrauchsakten fallen lässt, scheint zu frösteln. Machtvoll ist der Protest nicht, den das Grüpplein von Kirchenreformern, Religionskritikern und Missbrauchs-Betroffenen da auf die Beine gestellt hat. Für Christian Fischer immerhin die Gelegenheit, seine Geschichte zu erzählen: Anfang der Achtziger Jahre wurde er im Internat des Homburger Johanneums Opfer der Übergriffe eines Paters. „Ich hatte das abgespalten“, erzählt er, „und trotzdem bestimmte die Tat mein Leben“. Eine Entschädigung von der Kirche will er nicht, „niemand soll bewerten, ob mein Leben nun 3000 oder 5000 Euro wert ist“, sagt er. Aber einer der Bischöfe, die da am Montagabend an ihm vorbei in den Dom zogen, hätte ja aus der Reihe ausscheren und ihm die Hand geben können. Ein Zeichen, dass es nicht weitergeht wie üblich – vergebens.

Die Bischöfe, heißt es, seien recht froh gewesen, dass der Protest so leise geblieben ist, trotz des Ärgers um die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und die Aufregung um die „Pille danach“. Der Shitstorm ist im Internet geblieben, weder Katholikenphobie noch Pogromstimmung sind in Trier zu spüren. Das Evangelium des Eröffnungsgottesdienstes – „was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das hab ihr mir getan“ – wäre eine Steilvorlage für Selbstkritik und Selbstvergewisserung gewesen, aber Robert Zollitsch ist milde und im Allgemeinen geblieben. Die Stimmung auf der nicht-öffentlichen Sitzung wird als gut beschrieben, und am Mittag stellen Zollitsch, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, und der Kölner Kardinal Joachim Meisner das Programm des Eucharistischen Kongresses vom 5. bis 9. Juni in Köln vor.

Das fromme Treffen ist ein Herzensanliegen des Kölner Kardinals, so tritt er gut gelaunt vor die Journalisten, bitte nur Fragen zu diesem Thema. Der Kongress soll ein Glaubensfest werden, 10 000 Anmeldungen gibt es schon, alle Bischöfe haben zugesagt, es gibt ein Jugend- und Kulturfestival und einen eigenen Tag für die Priester. Sind auch Geschiedene, die wieder geheiratet haben, eingeladen – wo die Kirche sie doch vom Empfang der Kommunion ausschließt? Klar, sagt Meisner, die seien ja keine Menschen zweiter Klasse. „Erklären sie nichtkatholischen Lesern, was Eucharistischer Kongress bedeutet“, bittet ein Journalist aus Köln. „Das ist wie Eucharistischer Karneval“, antwortet der Kardinal und lacht. „Jetzt müssen Sie nur noch Eucharistisch erklären“, sagt der Kollege.

Fremde Welten. Draußen auf dem zugigen Domplatz steht Gisela Münster aus München und wirbt tapfer für eine Kirche, die sich nicht in die frommen Nischen zurückzieht. 42 Jahre lang hat sie für diese Kirche gearbeitet, als Religionslehrerin, Ausbilderin, Supervisorin. Anfangs feierte sie noch ohne Priester Gottesdienste mit den Schülern, heute ginge das nicht mehr, überhaupt sei alles enger, kleinlicher, kontrollierter geworden. Wie die Stimmung ist bei den Katholiken und Kirchenmitarbeitern? „Es gibt viel Traurigkeit“, sagt sie. Was auch erklärt, warum das Kirchenvolk nicht vor dem Dom protestiert: Wer trauert, nimmt die Dinge hin, akzeptiert, dass er nichts mehr ändern kann. Der kämpft nicht, der bleibt weg. An diesem Mittwoch reden die Bischöfe über die Rolle der Frauen in der Kirche, über Frauenförderpläne in den Bistümern. Vielleicht treffen sie sich da, die Welten.

MATTHIAS DROBINSKI

Bildunterschrift: Protest gegen das Schweigen der Kirche: Der Bischof aus Pappmaschee, der seinen Mantel über die Missbrauchsakten fallen lässt, stammt vom Karneval.

Zuletzt geändert am 20­.02.2013