21.2.2013 - Die Welt

Bischöfe lassen etwas mehr Weiblichkeit zu

Die deutschen Bischöfe billigen die nachträgliche Verhütung für Vergewaltigungsopfer. Auch die Rolle der Frau in der Kirche wurde diskutiert. Alois Glück bewertet diese Entwicklung sehr positiv. Von Gernot Facius

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat klargestellt, dass Frauen nach einer Vergewaltigung von katholischen Krankenhäusern die "Pille danach" erhalten, wenn diese eine verhütende und nicht eine abtreibende Wirkung hat. Ausdrücklich betonten die Bischöfe zum Abschluss ihrer Frühjahrsversammlung in Trier: "Medizinisch-pharmazeutische Methoden, die den Tod des Embryos bewirken, dürfen weiterhin nicht angewendet werden."

Die Oberhirten vertrauen darauf, wie der DBK-Vorsitzende Robert Zollitsch, sagte, dass in Einrichtungen in katholischer Trägerschaft die "praktische Behandlungsentscheidung auf der Grundlage dieser moraltheologischen Vorgaben erfolgt". Auf jeden Fall sei die Entscheidung der betroffenen Frau zu respektieren.

Angekündigt wurden weitere klärende Gespräche mit Medizinern und Beratern, aber auch mit dem Vatikan. Die DBK reagierte auf die öffentliche Diskussion nach der Abweisung einer vergewaltigten Frau in zwei Kölner katholischen Kliniken.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hatte sich mehrmals für den Vorfall entschuldigt und später angekündigt, dass bestimmte, nicht abtreibungswirkende Formen der "Pille danach" in katholischen Krankenhäusern verabreicht würden. Diese Position wurde nun von seinen Mitbrüdern bekräftigt. Bei seiner Entscheidung, die vielfach als neue Lehrmeinung gedeutet wurde, hatte sich Meisner mit der römischen Glaubenskongregation und der Päpstlichen Akademie für das Leben abgestimmt.

Keine Zustimmung des Papstes eingeholt

Berichte, wonach er auch die Zustimmung des Papstes eingeholt habe, korrigierte der Kardinal. Er ist seit seiner Entscheidung heftigen Angriffen von katholischer traditionalistischer Seite ausgesetzt. Die DBK distanzierte sich offiziell von der Internetseite gloria.tv, die in ihrer englischsprachigen Version mehrere deutsche Bischöfe mit Hakenkreuzen zeigte. Die Attacke galt nicht nur Meisner, sondern auch Kardinal Karl Lehmann (Mainz) und den Bischöfen Heinrich Mussinghoff (Aachen) und Franz Josef Overbeck (Essen).

Der Kölner Kardinal sprach in Trier "unser eigenes Versagen als Kirche" offen an, allerdings mit dem Zusatz, dass dieses Versagen "dramatisiert und multipliziert wird, als ob es nichts anderes bei uns gäbe". In seiner Predigt ging er auf Gegenkurs zur aktuellen Forderung nach Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen: "Es ist nicht erlaubt, die Ehe anders zu definieren als Gemeinschaft von einem Mann und einer Frau und in der Familie die Frucht der Ehe zu sehen."

Die schöpfungsgemäße Zweipoligkeit menschlichen Daseins als Mann und Frau dürfe nicht durch die "Gender-Ideologie" aufgelöst werden.

Verweis auf Diakoninnen im frühen Christentum

Der bevorstehende Papst-Wechsel weckt offenbar neue Hoffnungen auf Reformen, die vor allem zu einer Stärkung der Rolle der Frauen führen könnten. So regte in Trier der 79-jährige Kurienkardinal Walter Kasper an, über die Schaffung des Amtes einer "Gemeindediakonin" mit "eigenem Profil" nachzudenken.

Fast zeitgleich mit Kasper knüpfte Kardinal Lehmann an das Votum der Gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer (1971-75) in Würzburg an, Rom solle solle die Einführung eines Diakonats der Frau prüfen: "Es wird jetzt Zeit, dass mal eine verbindliche gute Entscheidung fällt." Die Oberhirten suchen nach einem Weg, um einerseits eine Konfrontation mit Rom zu vermeiden und andererseits die auf Bewegung in der Frauenfrage drängenden Katholiken nicht vor den Kopf zu stoßen.

Kardinal Kasper verwies auf Diakoninnen im frühen Christentum, die zwar den Namen und viele Funktionen mit den männlichen Diakonen teilten, aber eben nicht die gleiche Weihe. Die "Weihe" könnte in diesem Fall kein Sakrament sein wie etwa bei der Priesterweihe, sondern zu den "Sakramentalien" gehören, vergleichbar der "Jungfrauenweihe" oder der "Äbtissinnenweihe".

Stimmrecht für Frauen bei Synoden

Spektakulär ist Kaspers Vorstoß nicht. Aber eine andere Passage in seiner Rede wird vermutlich die Debatten befeuern. Es gehe um eine Erneuerung der synodalen Struktur der Kirche – eine Errungenschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), sagte Kasper.

Ein Stimmrecht für Frauen ist bei Synoden, zumindest auf weltkirchlicher Ebene, und bei Konzilien bislang nicht vorgesehen. Deshalb ist Kaspers Hinweis auf das Jerusalemer Apostelkonzil des ersten Jahrhunderts nach Christi so bedeutsam für die Reformer. An diesem Konzil hätten auch Frauen teilgenommen, betonte Kasper. Dies solle für die Kirche von heute ein Grund sein, dem Beispiel zu folgen und "Frauen in Synoden, in Pastoralen Räten und in Kommissionen angemessen zu beteiligen".

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" betonte, wer in der Kirche wirklich Einfluss ausüben wolle, könne dies nur über ein Amt tun. "Wir wollen auch Priesterinnen, Bischöfinnen und sogar Päpstinnen werden", erklärte ihre Sprecherin Annegret Laakmann.

"Ich sehe Bewegung in eine alte Diskussion"

Positiver bewertete der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, Kaspers Anregung. "Ich sehe Bewegung in eine alte Diskussion gekommen", sagte Glück der "Welt". Man müsse den Vorschlag "sorgfältig prüfen". Auf jeden Fall sei es "begrüßenswert, welchen Stellenwert die Debatte über Frauen bekommen hat". Dies sei auch dem "beharrlichen Drängen seitens des ZdK" zu verdanken.

Bislang werden in der oberen kirchlichen Leitungsebene mit umfangreichen Entscheidungsbefugnissen unterhalb des Bischofs 28 von 220 Stellen von Frauen besetzt, das entspricht einer Quote von 13 Prozent. Auf der mittleren Leitungsebene sind es 85 von 442 Stellen, also rund 19 Prozent. Seit 2005 ist das ein Anstieg von acht beziehungsweise sechs Prozentpunkten. Mehrere Diözesen kündigten einen Frauenförderungsplan an.

"Das Wirken von Frauen soll sichtbarer werden, ihr Anteil an Leitungsaufgaben, die nicht die Weihe voraussetzen, deutlich erhöht werden", kündigte der DBK-Vorsitzende Zollitsch an.

Noch nicht entschieden ist, wer anstelle des Kriminologen Christian Pfeiffer, von dem sich die Bischöfe getrennt haben, die 2011 in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie fortführen wird. Es würden Vorschläge von mehrere Instituten geprüft. Um einen neuerlichen Eklat zu vermeiden, soll nach Worten von Erzbischof Zollitsch ein Beraterkreis eingerichtet werden.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article113815348/Bischoefe-lassen-etwas-mehr-mehr-Weiblichkeit-zu.html

Zuletzt geändert am 22­.02.2013