April 2013 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Wir sind nicht mehr Papst

Während des Konklaves und nach der Wahl des neuen Papstes wurde ich in Rom oft gefragt, ob die Deutschen denn traurig seien, dass sie jetzt nicht mehr den Papst stellten. Manche mögen es ja vielleicht sein, die meisten sind es aber wohl eher nicht. Für eine Zeit war es sicher ein erhebendes Gefühl, dass 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein Deutscher dieses hohe Amt bekleiden durfte. Aber in gewisser Weise sind wir jetzt sogar erleichtert.

Denn die Katholische Kirche in Deutschland stand doch unter besonders scharfer Beobachtung und Kontrolle, seit Joseph Ratzinger im Jahr 1982 das Amt des Glaubenspräfekten übernahm und seit mehr als 30 Jahren von Rom aus den Kurs der Kirche und auch der Theologie bestimmt hat. Die jahrelange Auseinandersetzung um die Schwangerschaftskonfliktberatung hat die Kirche in unserem Land in eine große Zerreißprobe getrieben. Aber auch viele andere Dinge haben Geduld und Gehorsam auf eine große Probe gestellt, wie zum Beispiel die lange Verzögerung der „Rekognoszierung“, d.h. Genehmigung des neuen Gotteslobes durch vatikanische Behörden.

Es wird dringend Zeit, dass die Ortskirchen – wie es Kardinal Walter Kasper schon lange fordert – endlich wieder mehr Verantwortung zugestanden bekommen und auch selber übernehmen: so, wie es die Tradition der frühen Kirche war und erst durch die Überbetonung des Papstamtes, der zunächst einmal der Bischof von Rom ist, im 19. Jahrhundert mit sich gebracht hat.

Mag Deutschland zahlenmäßig nur zwei Prozent der Katholiken und Katholikinnen stellen, ist und bleibt es doch ein wichtiger Teil in der Weltkirche. Dank des deutschen Kirchensteuersystems finanziert die deutsche Kirche (noch) wesentlich den Vatikan und fast die gesamte Priesterausbildung in Lateinamerika und Afrika. Und die vielen katholischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen tragen in wissenschaftlicher Freiheit wesentlich zur Theologie bei; eine akademische Freiheit, von der auch Papst Benedikt und viele andere mit ihm profitiert haben.

Übrigens: Auch der neue Papst Francesco hat Beziehungen zu Deutschland und forschte Mitte der 1980er Jahre an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt, und zwar über den Religionsphilosophen und Theologen Romano Guardini.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 04­.04.2013