2.4.2013 - Mittelbayerische

Ein Bischof, der niemanden ausgrenzt

Der neue Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer will sich mit Missbrauchsopfern treffen. Beim Katholikentag 2014 verspricht er Offenheit.

Regensburg. Rudolf Voderholzer will sich mit Missbrauchsopfern treffen. „Es beschämt mich, was alles ans Tageslicht gekommen ist“, sagt er im MZ-Interview. Beim Katholikentag 2014 verspricht er Offenheit. Auch für „Wir sind Kirche“ gebe es beim Kirchenfest einen Platz.

Sie sind jetzt seit 75 Tagen Regensburger Bischof. Haben Sie sich ein großes Thema vorgenommen, das ihre Amtszeit prägen wird?

Ich finde hier im Bistum Regensburg eine fast noch volkskirchliche Situation vor. Es ist ein Glaubensleben, das man aber theologisch vertiefen und stützen muss. Ein besonderer Schwerpunkt soll dabei die Frage nach Glaube und Vernunft, nach Glaube und Naturwissenschaft sein. Die Sicht des Glaubens und die Sicht der modernen Naturwissenschaften auf die Welt und den Menschen sind nicht nur vereinbar, sondern vertiefen sich sogar gegenseitig: Das will ich in der Verkündigung gerade den jungen Menschen deutlich machen.

Für die Ökumene gibt es von Ihnen erste Signale. Sie haben mit Regionalbischof Hans-Martin Weiß vereinbart, Vespergottesdienste verschiedener Konfessionen zur festen Größe zu machen.

Regionalbischof Weiß und ich waren uns einig: Nicht klagen über das, was wir noch nicht miteinander tun können, sondern das miteinander praktizieren, was längst möglich ist. Vor allem muss man sich gut kennen, sich regelmäßig treffen, anständig miteinander umgehen. Wir werden nicht zu unserem eigenen Gunsten Randgruppen bei den anderen stärken – das entspricht schon der ökumenischen Höflichkeit. Wir dürfen auch Erreichtes nicht wieder verlieren, etwa gemeinsame Positionen zur Bioethik und zu Fragen des Lebensschutzes.

Sie haben sich zu großen kirchenpolitischen Themen bisher bewusst zurückgehalten. Das heutige Interview dient der Standortbestimmung. Wie stellen Sie sich eine Lösung für wiederverheiratete Geschiedene vor?

Das Problem bedrückt und bedrängt mich sehr. Die unverbrüchliche Treue, die Christus von Frauen und Männern fordert, die die Ehe eingehen, nimmt letztlich Maß an der Treue Gottes zu den Menschen. Wer seine Frau oder seinen Mann verlässt und ein zweites Mal heiratet, der legt auch das Treuegelübde ein zweites Mal ab. Doch es lebt noch jemand, dem man vor Gott und den Menschen Treue bis zum Tod versprochen hat. Die Kirche kann diesen Widerspruch nicht auflösen und weiter Zugang zu allen Sakramenten gewähren. Das ist aber keine Exkommunikation. Diese Menschen sind in keiner Weise abgeschrieben. Sie sind in einer Situation, die der besonderen seelsorgerischen Begleitung bedarf.

Was halten Sie vom Diakon- oder Priesteramt für Frauen?

Die Zuordnung des Priesteramtes zum männlichen Geschlecht ist biblisch begründet und auch in der Tradition der Kirche immer so gesehen worden. Der Priester ist der Repräsentant Christi, des Bräutigams. Ihm gegenüber steht die Kirche, die das Weibliche symbolisiert. Das heißt aber nicht, dass die Kirche auf die Kompetenz von Frauen in führenden Positionen verzichtet. Sie ist darauf angewiesen. In einem nicht-sakramentalen Diakonissenamt – wie es jüngst vorgeschlagen wurde – sehe ich keinen Vorteil. Jede Äbtissin, die Generaloberin der Mallersdorfer Schwestern oder eine kirchliche Schulleiterin hat unvergleichlich mehr Kompetenzen, Vollmachten und Verantwortungsbereiche.

Zu den Streitthemen gehört die Frage nach dem Zölibat. Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Jean-Claude Périsset, hat kürzlich erklärt, dass das kein Dogma ist.

Die Aufhebung der Verbindung von Priesteramt und Zölibat wäre der endgültige Schritt zur Verbürgerlichung des priesterlichen Dienstes. Davon erwarte ich mir keinen spirituellen Fortschritt. Der Zölibat ist nicht die Lebensform eines fromm angemalten Junggesellen. Er muss eingebettet sein in eine kirchliche Existenz, in der man etwa spürt von den den evangelischen Räten der Armut und des Gehorsams gegenüber Gott und dem Bischof. Wo dies passiert, hat das Priesteramt Strahlkraft, auch für junge Menschen. Der Zölibat ist eine Lebensform, die zum Ausdruck bringt: Wir setzen auf die Erfüllung einer Liebessehnsucht in Gott, die uns diese Welt nicht geben kann.

Papst Franziskus hat die Aufklärung der Missbrauchsfälle ins Zentrum gerückt. Sehen Sie im Bistum nach der Durchsicht der Akten weiteren Handlungsbedarf?

Es beschämt mich und macht mich betroffen, was alles ans Tageslicht gekommen ist. Es muss alles aufgeklärt und nach rechtsstaatlichen Maßgaben und Regeln behandelt werden. Die psychotherapeutische Fachliteratur macht mir deutlich, wie schwerwiegend die Spätfolgen sein können. Ich werde mit einigen Opfern das Gespräch suchen, ohne dies an die große Glocke zu hängen. Seelsorge muss es aber auch dort geben, wo jemandem durch eine falsche Anschuldigung Unrecht geschehen ist.

Gibt es Sicherheitsvorkehrung, um neuen Fälle zu verhindern?

Alle, die mit Kindern und Jugendlichen in der Kirche zu tun haben, brauchen ein erweitertes Führungszeugnis. Es gibt eine Beauftragte für Prävention und verpflichtende Fortbildungsveranstaltungen, um für das Thema zu sensibilisieren. Es kommt darauf an, mit allen Kräften zu verhindern, dass solche Straftaten geschehen.

Papst Franziskus will eine einfache und arme Kirche. Gibt es auch für Sie Bereiche, wo Sie Abstriche machen werden?

Armut ist evangeliumsgemäß. Papst Franziskus setzt klare Zeichen im Sinne der Nachfolge Christi. Als Christen dürfen wir uns freuen, dass er uns ein Vorbild ist. Dabei müssen wir aber auch beachten: Armut ist kein Mittel öffentlichkeitswirksamer Zurschaustellung.

Beim Gründonnerstagsgottesdienst in Rom hat Papst Franziskus auch zwei Frauen die Füße gewaschen. In konservativen Blogs im Internet kam das nicht gut an. Waren auch Sie irritiert?

Ich habe in der Gründonnerstagsmesse acht Frauen die Füße gewaschen.

Sehen Sie Gegensätze zwischen Benedikt XVI. und Franziskus?

Ich denke, sie ergänzen sich wunderbar, gerade bei der Einfachheit und der Armut. Benedikt ist der einfachste und bescheidenste Mensch, den man sich vorstellen kann. Ein Mensch, der nie ein Auto besaß und mit dem Radl oder mit dem Bus gefahren ist. Dafür hat sich nie jemand interessiert. Papst Benedikt war sogar so bescheiden, sich in Rom mancher liturgischer Kleidermode zu beugen. Da ist der Franziskus kerniger. Er ist einer, der sagt: Legen wir das beiseite. Es freut mich, dass es ihm gelingt, seine Haltung durch Zeichenhandlungen stärker bewusst zu machen.

Als Ratzinger-Fachmann sind Sie ein Kenner des Papstamtes. Sie haben aber auch genaue Vorstellungen vom Kirchenvolk. Laien sind für Sie keine Amateure: Bei der Feier Ihrer Bischofsweihe haben sie angeregt, Vorschläge für ein besseres Wort machen. Sind schon Ideen eingetroffen?

Es gibt einen ganzen Stapel von Vorschlägen. Ein Favorit hat sich noch nicht abgezeichnet. „Weltchrist“ wurde vorgeschlagen in Analogie zu „Weltpriester“ oder „Ordenschrist“. „Gläubige“ oder „Christen“ wäre nicht genau genug, weil ja Priester hoffentlich auch Gläubige und Christen sind (lacht). Es muss eine positive Bestimmung sein. „Laie“ ist von seiner Sprachgeschichte her immer negativ. Ich bin ein Laie, was mein Auto betrifft. Ich muss zum Fachmann gehen, wenn etwas kaputt ist. So ist es bei einem getauften und gefirmten Christen nicht. Er muss nicht wegen jedem christlichen Lebensvollzug den Pfarrer fragen. Er ist befähigt, dort, wo er steht, sein Christsein zu leben. Die Priester sind dazu da, dieses gemeinsame Priestertum zu stärken.

Bischof Gerhard Ludwig Müller hat Diözesankomitee und Pastoralrat als Mitbestimmungsgremien eingesetzt. Bleibt es dabei?

Die Organisation der Laienräte entspricht dem Kirchenrecht und der weltweiten Praxis. Meine Begegnungen mit den Verbänden haben mir gezeigt, dass die Strukturen sinnvoll sind. Die Gremien arbeiten, soweit ich das bis jetzt verfolgen kann, sehr effizient. Ich sehe also keinen Grund, etwas zu ändern.

Haben Sie Kontakt zu „Wir sind Kirche“ und ähnlichen kirchenkritischen Gruppen?

Ich habe 1500 Briefe auf meinem Schreibtisch. Dankschreiben, Glückwunschschreiben – auch eine Reihe von Signalen von „Wir sind Kirche“ und Priestern, die diszipliniert worden sind. Wenn sich der große Sturm gelegt hat, möchte ich mit den Priestern sprechen. Ich schließe nicht aus, mich in nächster Zeit weiteren Gesprächsangeboten zu öffnen. Ich habe das letzte Heft der Pipeline gelesen, in der auch ein Artikel über mich abgedruckt ist. (Anm. der Red.: Eine Publikation kritischer Priester und Laien). Er ist allerdings so gehalten, dass es mir mit einem Treffen nicht pressiert.

2014 findet in Regensburg der 99. Deutsche Katholikentag statt. Was wünschen Sie sich?

Es soll ein Regensburger Katholikentag werden. Ich möchte nicht, dass der Katholikentag wie ein Abziehbild von einer Stadt auf die nächste aufgeklebt wird. Wir haben viel Originelles und Eigenes beizutragen. Wir sind grenznah – die Partnerschaft mit dem Bistum Pilsen wird eine Rolle spielen. Wir sind die Stadt am nördlichsten Punkt der Donau, einem völkerverbindenden Fluss. Wir haben eine positive ökumenische Tradition, die mit Regensburg als Ort des Immerwährenden Reichstags zusammenhängt. Konnersreuth war ein wichtiges Zentrum antinationalsozialistischen Widerstands. Papst Benedikt und seine theologische Bedeutung sind ein weiteres Gewicht in der Waagschale – aber auch Personen der Geschichte wie der Bistumsgründer Wolfgang, Albertus Magnus, Johann Michael Sailer und Michael Buchberger. Wir haben mit den Domspatzen die älteste und größte „Boygroup“ der Welt. Es soll ein klingender Katholikentag werden. Ich wünsche mir ein Katholikentagslied, das die Bistumsgrenzen überschreitet, wie das Lied „Wer glaubt ist nie allein“.

Katholikentage bilden immer eine große Bandbreite ab. Gibt es auch kirchliche Gruppierungen, bei denen sie ein Veto einlegen?

Alle katholischen Gruppen sind am Katholikentag willkommen.

Auch bei der Organisation „Wir sind Kirche“ gibt es von Ihnen keinen Widerspruch?

Sie werden sich anmelden können und wir werden einen Platz finden, vielleicht nicht direkt im Zentrum.

Nach den ersten 75 Tagen im Amt haben sich viele Menschen darüber gefreut, wie kommunikativ und humorvoll Sie aufgetreten sind. Freut Sie das Ihrerseits?

Das überrascht mich ein bisschen, weil ich nichts Besonderes mache. Ich bin halt so, wie ich bin. Aber wenn es gut ankommt, dann freut es mich natürlich.

http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10008&pk=902339

Zuletzt geändert am 13­.04.2013