29.8.2013 - Nürnberger Nachrichten - Anhang Hilpoltstein

"Wenn man nichts zu vertuschen hat, sollte man sich offen geben"

"Wir sind Kirche"-Mitglied Cnristel Gottwald aus Schloßberg über Missbrauchsanschuldigung gegen den Heidecker Stadtpfarrer

Der Schock sitzt tief: Seit Dienstag vergangener Woche ist der katholische Stadtpfarrer von Heideck in Untersuchungshaft. Ihm wird schwerer sexueller Missbrauch eines Jungen in sieben Fällen zur Last gelegt. Die Taten sollen sich zwischen 1998 und 2001 am früheren Wirkungsort ereignet haben. Noch schweigt der Geistliche, die Staatsanwaltschaft ermittelt, und die Gläubigen sind erschüttert - so wie Cnristel Gottwald aus Schloßberg. Die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitunq/Hilpoltsteiner Zeitung sprach mit der Katholikin, die Mitglied der klerikal kritischen Reformbewegung "Wir sind Kirche" ist.

DAS INTERVIEW

Frau Gottwald, vor drei Jahren haben wir an dieser Stelle ein ähnliches Gespräch miteinender geführt ...

Gottwald: ... in dem der große Missbrauchskandal innerhalb der katholischen Kirche Thema war, ja. Das hier ist leider die Fortsetzung des Ganzen - nur dass ein mutmaßlicher Täter jetzt Name und Gesicht für uns hat. Das macht unglaublich betroffen. Ich erinnere mich übrigens daran, dass ich den Stadtpfarrer seinerzeit davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass ich mit der Presse über die damaligen Missbrauchsfälle sprechen würde.

Und wie hat er reagiert?

Gottwald: Sehr korrekt. Er war relativ emotionslos, beherrscht.

Emotionslos scheint mit Blick auf die ungeheuren Anschuldigungen gegen ihn niemand mehr zu sein. Wie war denn Ihre erste Reaktion, als Sie von den Vorwürfen erfuhren?

Gottwald: Zuerst einmal hat sich tiefes Bedauern in mir breit gemacht, wenn ich an den Jungen gedacht habe. Und dann war da wieder dieses blanke Entsetzen, dass möglicher- weise ein Päderast gedeckt worden ist - über Jahre hinweg. Aber solange nichts bewiesen ist, gilt für mich die Unschuldsvermutung.

Die ist für so manches Gemeindeglied offenbar unumstößlich. Denn laut BR waren nicht nur erschütterte Stimmen zu hören, sondern auch solche, die die Aussage des vermeintlichen Opfers in Zweifel zogen und appellierten, für den Pfarrer zu beten - schließlich sei der "auch nur ein Mensch" mit Schwächen.

Gottwald: So viel Ignoranz macht mich sprachlos. Ich kenne Leute, die sagen: "Muss man das denn nach so langer Zeit wieder aufwärmen?" Ist doch empörend! Da werden Täter- und Opferrolle einfach vertauscht. Wobei so ein Pfarrer natürlich auch potenzielles Opfer ist - Opfer einer möglicherweise krankhaften Veranlagung und von Strukturen, die ver- schweigen statt zu helfen ...

Demnach halten Sie wenig vom aktuellen Krisenmanagement der katholischen Kirche? Haben die Verantwortlichen nicht dazugelernt?

Gottwald: Offenbar nicht. Das geht doch schon damit los, dass der Kaplan einem Pressevertreter implizit mit Hausverbot droht. Wenn man nichts zu vertuschen hat, sollte man sich offen geben. Und was mich maßlos enttäuscht: Bischof Hanke hat bislang überhaupt nichts zu dem Vorfall verlauten lassen, obwohl er noch vor drei Jahren so auf einen Wertedialog gepocht hat...

Was muss jetzt Ihrer Meinung nach geschehen?

Gottwald: Prinzipiell müsste eine zielgerichtete Debatte stattfinden, an deren Ende zahlreiche innerkirchliche Reformen stehen, wie sie ,;Wir sind Kirche" seit Jahren fordert. Allerdings bleibe ich realistisch: Es wird sich auch nach diesem Fall nichts bewegen - obwohl ich mir sicher bin, dass die Kirchenverantwortlichen ihre "schwarzen Schafe" genau kennen. Aber da wird gemauert und geschwiegen. Wie immer.

Mit Christel Gottwald sprach: PETRA BITTNER

Zuletzt geändert am 09­.09.2013