15.9.2013 - WELT AM SONNTAG

Das Kreuz mit dem Geld

VON LUCAS WIEGELMANN

Eigentlich war diese Woche schon seit Langem fest eingeplant als eine gute Woche für die katholische Kirche. Die Bischöfe wollten endlich mal wieder Sympathiepunkte sammeln. Am Freitag und Samstag kamen 35 von ihnen in Stuttgart zusammen und diskutierten mit Vertretern aller möglichen katholischen Vereine und Organisationen, wie man die heilige Messe wieder attraktiver für die Menschen machen könnte. Die Konferenz war Teil des sogenannten „Gesprächsprozesses“: Die Bischofskonferenz will Laienvertretern das Gefühl geben, dass sie ernst genommen werden. Dialog, aufeinander zugehen, Modernisierung, das sollten die Stichworte sein diese Woche. Aber darüber spricht in Kirchenkreisen kaum jemand. Alle reden nur über Limburg.

Ein Bistum im Führungschaos – und die ganze Kirche in Deutschland leidet mit. Die Krise um Limburgs Oberhirten Franz- Peter Tebartz-van Elst hat sich in dieser Woche mit dem Besuch des vatikanischen Gesandten zugespitzt. So sehr, dass längst auch die anderen Bistümer in Mitleidenschaft gezogen werden. „Das ist eine sehr schmerzliche Sache, nicht nur für Limburg“, sagt Kölns Kardinal Meisner. Die Kardinäle Lehmann (Mainz) und Marx (München) haben sich vom Limburger Bischof distanziert. Die Bischöfe sind nervös. Denn natürlich geht es im Fall Limburg um alles mögliche. Um Kommunikationspannen. Um einen Führungsstil, der aus der Zeit gefallen ist. Um die Frage, ob Tebartz- van Elst immer die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Aber im Kern der Affäre um ein üppiges neues Bischofshaus und einen rätselhaften Erster-Klasse-Flug nach Indien geht es um: Geld. Die Sache wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis des Klerus zum Luxus. Kann die Kirche mit Geld umgehen? Wie viel Prunk ist erlaubt beim Verkünden der Botschaft eines Wanderpredigers? Das macht den Fall Limburg so heikel. Über Geld spricht niemand gerne. Und Bischöfe schon gar nicht.

Wenn es ums Geld geht, können geistliche Würdenträger nicht gewinnen. Wirtschaften sie schlecht, gelten sie als Prasser oder Naivlinge. Wirtschaften sie erfolgreich, gelten sie als raffgierig. Also versuchen sie das Thema Finanzen zu vermeiden, so gut es geht. So kommt es zum Beispiel, dass die deutschen Bistümer finanziell so gut dastehen wie lange nicht mehr – und kaum einem Gläubigen ist es bewusst.

All die Berichte über Kirchenaustritte und Gemeindefusionen haben in den Hintergrund treten lassen, dass die Kirchensteuereinnahmen seit Jahren steigen. 2012 lagen sie bei rund 5,2 Milliarden Euro, das ist mehr als je zuvor. 1995 waren es noch umgerechnet 4,3 Milliarden. Grund ist die gute Konjunkturentwicklung. Sie gleicht die Verluste durch Austritte derzeit mehr als aus. Standen vor wenigen Jahren noch Bistümer wie Aachen und Berlin vor dem Kollaps, sind die Haushalte heute in der Regel ausgeglichen und kommen, im Gegensatz zur öffentlichen Hand, ohne Schulden aus. Die katholische Kirche in Deutschland gehört zu den reichsten der Welt. Eine Bilanz, mit der sich Politiker brüsten würden. Aber für Bischöfe ist die Sache komplizierter.

Reichtum und Geschäftemacherei haben im Neuen Testament ein schlechtes Image. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (Mk 10,25): Die Stellen, an denen Jesus gegen den Mammon wettert, gehören zu den bekanntesten Bibelzitaten überhaupt. Von Priestern und Bischöfen wird daher seit Jahrhunderten ein besonderes Maß an Bescheidenheit erwartet. Jubel über üppige Steuereinnahmen passt da schlecht ins Bild.

Und doch kommen bei aller Diskretion immer mal wieder einzelne fragwürdige Investitionen ans Licht, von denen sich manche Gläubige vor den Kopf gestoßen fühlen. Nicht nur in Limburg. Erst Anfang vergangener Woche wurde der emeritierte Passauer Bischof Wilhelm Schraml endgültig aus dem Dienst verabschiedet. Er hatte nach seinem Rücktritt als Bischof 2012 das Bistum zunächst noch eine Weile kommissarisch geleitet. Nun kann sein Ruhestand beginnen, und für den hat sich Schraml im Wallfahrtsort Altötting ein Palais zum Alterssitz umbauen lassen, auf 280 Quadratmetern. Die Kosten sollen bei 500.000 Euro gelegen haben – ein Aufwand, gegen den eine christliche Laiengruppe schriftlich bei Schramls Münchner Kollege, der Kardinal Reinhard Marx, residiert seit dem vergangenen Jahr im frisch renovierten „Palais Holnstein“, dem alten Amtssitz der Münchner Erzbischöfe. Kronleuchter, Deckenfresko über dem Treppenhaus, Keramik- Kachelöfen, Gemälde an der Wand – darunter auch eines, das Marx selbst zeigt. Die Kirche zahlte für die Herrichtung des Rokoko-Schlösschens etwa 1,5 Millionen Euro; der Freistaat Bayern, dem das Palais gehört, stellte 6,5 Millionen Euro bereit. Ungefähr zur selben Zeit, als Marx seinen neuen Sitz bezog, wurde außerdem bekannt, dass das Erzbistum München in Rom eine Villa gekauft hat. Sie soll als Gästehaus dienen und kostete 9,7 Millionen Euro. Offenbar legt Marx bei Rom-Aufenthalten ohnehin Wert auf eine gewisse Weltläufigkeit. Als er im März 2013 zu seinem ersten Konklave nach Rom flog, ließ er parallel dazu seinen Dienstwagen aus München kommen, um in der Ewigen Stadt nicht auf Taxis angewiesen zu sein. Auf dem Rückweg flog Marx allerdings nicht, sondern fuhr im Auto mit.

Jeder Hinweis auf Prachtentfaltung wird im Kirchenvolk schon seit Langem aufmerksam verfolgt. Neu ist, dass auch der Vatikan jetzt genauer hinschaut. Papst Franziskus verachtet Luxus. Er meidet den apostolischen Palast, trägt ein einfaches Kreuz und einfache Schuhe, will aus seiner Kirche eine Kirche für die Armen machen. Erst diese Woche zeigte sich der Pontifex wieder mit einem alten Auto, einem Renault R4, Baujahr 1984, 300.000 Kilometer gelaufen.

Einige Wochen zuvor hatte er gesagt: „Es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Nonne in einem nagelneuen Auto sehe. So etwas geht nicht.“ Franziskus, der Gebrauchtwagenpapst – dieses Bild setzt kirchliche Würdenträger in der ganzen Welt unter Druck. Christian Weisner von der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sagt: „Ich würde mir wünschen, dass sich noch viel mehr deutsche Bischöfe hinter die theologische Linie von Papst Franziskus stellen und sich seinen Lebens- und Führungsstil zum Vorbild nehmen.“

Dabei ist die schlichte Lebensführung für die Mehrheit der deutschen Bischöfe das geringere Problem: Der Fall Limburg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass fürstbischöfliches Gehabe in den meisten deutschen Ordinariaten der Vergangenheit angehört. Aber der Papst mahnt die Kirche auch zu einer neuen Transparenz. Dieser Kurs ist für die deutschen Bischöfe mit Blick auf die Finanzen schon schwieriger mitzugehen.

Denn nicht nur in Limburg wird traditionell ein großes Geheimnis über die Vermögenssituation gemacht. Von keiner deutschen Diözese weiß man, wie viel Geld sie wirklich besitzt. Die Bistumsleitung veröffentlicht nur den aktuellen Haushalt, in dem die Kirchensteuereinnahmen, staatliche Zuschüsse sowie andere Einnahmen wie Zinsen und Pachten aufgeführt sind. Daneben verfügen die verschiedenen Hierarchie- Ebenen der Kirche (Bistum, Dekanat, Gemeinde) aber über historisch gewachsene Vermögen, die in keiner öffentlichen Bilanz auftauchen. Davon sind vor allem die Schattenhaushalte der Bistümer umstritten, die sogenannten „Bischöflichen Stühle“. Wie viel Geld dort liegt, dürfte von Diözese zu Diözese sehr unterschiedlich sein – alte und große Bistümer wie das Erzbistum Köln verfügen über ganz andere Summen als junge und kleine Diözesen wie Görlitz. Zahlen gibt es keine. Ein strategischer Fehler, findet der Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande. Anfang der Nullerjahre beriet er als McKinsey-Director die Deutsche Bischofskonferenz und das überschuldete Erzbistum Berlin. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch „Schafft sich die katholische Kirche ab?“, mit einem Vorwort von Kardinal Lehmann. „Wo in der Kirche abseits der öffentlichen Diözesanhaushalte welches Geld herkommt und wo es hinfließt, ist undurchsichtig“, sagt Mitschke- Collande. „So leistet die Kirche selbst Spekulationen Vorschub. Die Leute malen sich wer weiß was für Summen aus, die da auf irgendwelchen Konten schlummern könnten. Es wäre so einfach für die Bischöfe, dem einen Riegel vorzuschieben: durch eine umfassende Transparenz, die alle Geldströme erfasst.“

Solche Offenheit wäre mehr als ein Akt des guten Willens, mehr als ein bisschen Fair Play. Sie könnte für den Zusammenhalt der Kirche bald von entscheidender Bedeutung sein. Denn auch wenn die wirtschaftliche Situation derzeit rosig ist – in nächster Zeit kommen erhebliche Risiken auf die Bistümer zu. Schlimmer als alle Kirchenaustritte wird sich der demografische Faktor auf die Finanzen auswirken: Die Zahl der Beerdigungen übertrifft schon seit Jahren die Zahl der Taufen. Im Jahr 1990 gab es 28,2 Millionen Katholiken in Deutschland. 2012 waren es noch 24,3 Millionen. Dieser Trend wird sich verschärfen. Außerdem wächst in einer alternden Gesellschaft auch die Zahl der Gläubigen, die gar keine Kirchensteuer zahlen: Schon heute ist nur knapp jeder dritte Katholik in Deutschland kirchensteuerpflichtig. Befreit sind alle, die keine Einkommensteuer zahlen, also neben Geringverdienern, Arbeitslosen, Kindern, Schülern und Studenten auch viele Rentner.

Während dies die Einnahmen drückt, dürften die Kosten steigen: Die rund 60.000 kircheneigenen denkmalgeschützten Gebäude müssen instand gehalten werden. Und mit der allgemeinen Lohnentwicklung werden auch die Personalkosten anziehen – mit Abstand der größte Batzen in den Bistumsetats. Unternehmensberater Thomas von Mitschke-Collande schätzt, dass in den Diözesanhaushalten in rund zwanzig Jahren eine Finanzlücke von 25 bis 30 Prozent klaffen wird. Die Bischöfe werden also bald noch stärker sparen müssen als bisher. Wenn die Gläubigen ständig argwöhnen, dass Seine Exzellenz im Ordinariat noch auf märchenhaften Schätzen sitzt, werden die bevorstehenden Einschnitte noch schwieriger zu vermitteln sein als ohnehin schon. Transparenz müsste also nicht zuletzt im Interesse der Bischöfe liegen. Mit Limburg könnten sie anfangen.

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Zuletzt geändert am 15­.09.2013