20.9.2013 - Mitteldeutsche zeitung u.a.

Papst stellt Agieren der katholischen Kirche in Frage

Der Franziskus-Modus

Von Joachim Frank

Papst Franziskus hat in einem Interview für einen Kurswechsel seiner Kirche plädiert. In Deutschland sind Bischöfe und Laien gleichermaßen voll des Lobes. Der Bischof von Münster, Felix Genn, würdigte das Interview als „ausgesprochen bemerkenswert und offen“.

Köln/MZ. In einem Aufsehen erregenden Interview hat sich Papst Franziskus für einen Kurswechsel der katholischen Kirche stark gemacht. „Die Menschen sind des Autoritarismus’ überdrüssig“, sagte der Papst. Die Kirche solle nicht ausschließlich und endlos über Abtreibung, homosexuelle Ehen und Verhütungsmethoden sprechen, mahnte der Papst „Das geht nicht.“ Er plädierte dafür, in Moralverkündigung und Seelsorge stets die Lebenssituation des Einzelnen zu berücksichtigen. Weiter kündigte der Papst eine stärkere Beteiligung der Ortskirchen und der Gläubigen an Beratungs- und Entscheidungsprozessen an und wandte sich gegen ein Agieren der römischen Kurie als „Zensurstelle“.

In Deutschland sind Bischöfe und Laien gleichermaßen voll des Lobes. Der Bischof von Münster, Felix Genn, würdigte das Interview als „ausgesprochen bemerkenswert und offen“. Ohne die moralischen Überzeugungen der Kirche in Frage zu stellen, betone der Papst die Bedeutung der liebevollen Begleitung, sagte Genn. Er hob auch hervor, dass der Papst sich offene Beratung wünsche und sich selbst als Teil des Volkes Gottes verstehe, „das gemeinsam auf dem Weg ist“.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte: „Der Papst stellt die Liebe Gottes über kirchliche Gesetze und Regeln. Da verändert sich etwas in der Kirche.“ Die neue Prioritätensetzung des Papstes werde nicht ohne Folgen bleiben. So erwarte er Bewegung etwa in der Frage des Umgangs der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen. „Schon allein dass der Papst diese Themen aufgreift, schafft eine neue Lage und setzt eine Entwicklung in Gang, die auf Sicht zu Konsequenzen führen wird.“ Franziskus sei auch „der Wegbereiter für eine angstfreie Kommunikation in der Kirche, für eine neue Offenheit und Lebendigkeit“, so Glück.

Auch die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sprach am Freitag von einer „neuen Denk- und Redefreiheit“. Das Papst-Interview sei „harte Kost“ für die deutschen Bischöfe, meinte „Wir sind Kirche“-Vorstand Christian Weisner. Ihr noch unter Papst Benedikt XVI. gestarteter Gesprächsprozess sei bisher dem Motto gefolgt, „reden, um nichts tun zu müssen“. Jetzt müssten sich die Bischöfe „auf den Franziskus-Modus umstellen“ und die Frage beantworten: „Wann hört ihr endlich den Schuss aus Rom?“

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Zuletzt geändert am 23­.09.2013