20.10.2013 - Die Welt

Bischofs-Krimi führt zu Glasnost auf katholisch

Die Debatte über das Bistum Limburg wird zu mehr Transparenz in der katholischen Kirche führen. Und es gibt schon neue Ideen, wie man das Leitungspersonal künftig besser auswählen könnte.

Von Gernot Facius

Wie immer der Kirchen-Krimi um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ausgehen mag, eines steht schon fest: Die unselige Causa Limburg hat trotz der Irritationen, Enttäuschungen und lautstarken Empörungen über vermutete Großspurigkeit beim Bau des Diözesanen Zentrums auch ein positives Potenzial.

Es geht, das ist die Pointe des Skandals, ein leichter Ruck durch den deutschen Katholizismus. Immer mehr Diözesen legen ihre Haushalte oder die Vermögenswerte ihrer Bischöflichen Stühle offen.

Sie nennen Zahlen, die bislang zu den am besten gehüteten Geheimnissen der kirchlichen Finanzverwaltung gehörten, um sich von dem undurchsichtigen Spiel auf dem Limburger Domberg abzugrenzen. So viel Transparenz war nie: Glasnost auf katholisch.

Fragen nach dem Reichtum der Kirche

Doch lässt sich damit noch nicht die ganze Aufregung über "Prunk" und "Protz", "klerikalen Dünkel" und "selbstverliebte Rituale" dämpfen. Will man einem ausufernden polemischen Geraune über schwarze Kassen die Spitze nehmen, müssen alle Geldtöpfe, über die Bistümer verfügen, auf den Tisch.

Das klingt vorerst utopisch. Nicht jeder Oberhirte oder Generalvikar möchte sich gern in die Finanzen schauen lassen. Manche Würdenträger hoffen sogar, dass der Sturm um Tebartz-van Elst bald abflaue. Ob sie sich da nicht täuschen?

Der Fall Limburg hat schon, wie der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller richtig bemerkt, einen Dammbruch ausgelöst. Bohrenden Fragen nach dem tatsächlichen Reichtum der Kirche werden die Hirten nicht mehr ausweichen können. Wie nach einem Erdbeben hat sich die kirchliche Landschaft verändert.

Mehr Menschen an Entscheidungen beteiligen

Zur absoluten Offenheit zwingen kann man aber keinen Bischof. Die Kirchen, auch die evangelischen, regeln ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung, sie sind weder Staat noch Gesellschaft rechenschaftspflichtig. So hat es die Weimarer Reichsverfassung bestimmt, und diese Regelung wurde ins Grundgesetz übernommen.

Wer es anders möchte, muss eine Mehrheit für eine Verfassungsänderung suchen, eine solche ist aber nicht zu erkennen. Keine demokratische Partei rüttelt ernsthaft an den Kirchenartikeln. Und mit Ausnahme der Linken und vielleicht der Piraten stellt niemand das überkommene Staatskirchenrecht samt Kirchensteuer infrage.

Auf der anderen Seite sind katholische Bischöfe ungeachtet des strikt monarchisch-autokratischen Charakters ihres Amtes gut beraten, Mitbrüder, Domkapitel, Priesterräte und Repräsentanten der Laien an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen und andere Meinungen anzuhören. Das wären vertrauensbildende Maßnahmen.

Weicheier in den Kontrollgremien

Sie setzen freilich Persönlichkeiten voraus, die notfalls Mut vor Bischofsthronen beweisen. Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff hat das Problem, das offenbar einen Kern des Konflikts an der Lahn berührt, auf den Punkt gebracht: In Kontrollgremien braucht es gestandene Leute, keine Weicheier. Wo Kommunikation blockiert und Kontrolle ausgeschaltet wird, nährt man den furor antikatholicus.

Selbstverständlich werden auch künftig größere Bauprojekte möglich sein. Es wird allerdings offener als in der Vergangenheit darüber diskutiert werden müssen, ob ein Bau sinnvoll ist, ob er der Botschaft des Evangeliums nützt und, im Sinne von Papst Franziskus, der Vorstellung von einer armen Kirche nahekommt.

Die Versuchung der gut situierten katholischen Kirche in Deutschland, innere Schwäche durch eine überzogene Außendarstellung zu kaschieren, ist nicht auf das kleine hessisch-rheinland-pfälzische Bistum beschränkt, dem Phänomen begegnet man auch in anderen Bischofsstätten.

Seit mehr als einem Jahrzehnt vergleicht der Kölner Kardinal Joachim Meisner die Kirche mit einer Auto-Karosserie, die zu groß ist für den kleiner gewordenen Motor.

Was ist zeitgemäße Amtsführung?

Wer sich unter dem Kirchenvolk umhört, wird nicht erstaunt sein, dass selbst "normale" Katholiken heute die Systemfrage stellen und die Strukturen der Sancta Ecclesia Catholica et Apostolica thematisieren. Jahrelang war das sogenannten Reformgruppen wie "Wir sind Kirche" vorbehalten. Großen Erfolg hatten sie nicht.

Die erschütternden Details der Causa Limburg, nicht wie behauptet von den Medien fabriziert, sondern aus dem kirchlichen Apparat an diese herangetragen, hat ihnen wieder Auftrieb beschert. Ungeschützter als kirchliche Amtsträger können sie zum Nachdenken über eine zeitgemäße Ausübung des Hirtenamtes auffordern.

Dass "Nachfolger der Apostel" – in dieser Position sehen sich die Bischöfe – gesetzgebende, exekutive und richterliche Gewalten in einer Person vereinigen und nicht selten der Meinung sind, nur ihnen komme göttlicher Beistand bei der Leitung ihrer Diözesen zu, ist den Menschen einer zunehmend demokratisierten Gesellschaft schwer zu vermitteln.

Aber nicht nur die Amtsausübung der Bischöfe wird als Folge der Causa Limburg zum Thema. Die Kritik setzt inzwischen tiefer an: bei der Auswahl der Kandidaten für das Amt, das seinem Selbstverständnis nach der Repräsentation des Heiligen dienen soll.

Mehr Auswahl bei den Bischofs-Kandidaten

In der frühen Kirche war es üblich, dass der Bischof vom gesamten Volk gewählt wurde, nach dem Motto "Wer allen vorstehen soll, muss auch von allen gewählt werden". Verständlich, dass ein solcher Modus in den heutigen großräumigen Kirchenstrukturen nicht praktizierbar ist.

Jedoch gibt es seit drei Jahren einen Vorschlag zur Güte des Grazer Kirchengeschichtlers Gerhard Hartmann, die Wahl neuer Oberhirten nicht den Mitgliedern des Domkapitels allein zu überlassen, sondern auch Vertreter von Priester- und Laienräten hinzuzuziehen, quasi ein erweitertes Domkapitel zu bilden, und statt der üblichen vatikanischen Dreierlisten besser sieben Kandidatennamen vorzulegen. Jedenfalls wäre so eine größere Auswahlmöglichkeit gegeben.

Über das Verfahren mit der Dreierliste spottete einst der legendäre Kölner Kardinal Josef Frings: "Auf ihr stehen ein Neger, ein Chinese und der, der es werden soll." Die Gefahr, dass ein problematischer Kandidat auf den Bischofsstuhl gelangt, wäre durch den Güte-Vorschlag nicht gänzlich ausgeschlossen, aber zumindest geringer.

"Limburg" wirft viele Fragen auf, wie das Vertrauen in das Bischofsamt gestärkt werden kann. Die Debatte hat ganz zaghaft begonnen.

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article121053155/Bischofs-Krimi-fuehrt-zu-Glasnost-auf-katholisch.html

Zuletzt geändert am 22­.10.2013