7.11.2013 - Main-Post

Affäre Tebartz-van Elst: Viele Kirchenaustritte, auch in Unterfranken

Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat der katholischen Kirche geschadet: Deutlich mehr Menschen als üblich sind im Oktober aus der Kirche ausgetreten. In zahlreichen deutschen Städten haben im Oktober doppelt oder drei Mal so viele Katholiken ihrer Kirche den Rücken gekehrt wie im September. Von der Austrittswelle massiv betroffen ist vielerorts auch die evangelische Kirche.

In der Domstadt Köln sind im Oktober, als sich die Schlagzeilen über Tebartz-van Elsts millionenschweren Luxusbau häuften, 571 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten – doppelt so viele wie im Vormonat. „Die Leute standen im Oktober Schlange“, so ein Sprecher aus Köln. Deutlich erhöhte Austrittszahlen melden Paderborn, Bremen und Osnabrück sowie die Bayern-Städte München, Regensburg, Nürnberg, Passau und Bamberg. In Bamberg verließen im Oktober 45 Menschen die katholische Kirche; im September waren es 14.

Auch in Würzburg ist die Zahl der Kirchenaustritte in die Höhe geschnellt. In der Bischofsstadt beantragten im Oktober genau 100 Katholiken beim Standesamt Würzburg den Kirchenaustritt – fast dreimal so viele wie im September (36 Austritte). In Schweinfurt traten im Oktober 37 Katholiken aus der Kirche aus – im September waren es 14 gewesen. Der Trend zum Austritt ist auch in kleineren unterfränkischen Städten wie etwa Lohr zu beobachten: Dort traten im Oktober 12 Katholiken aus; im September hatte es einen Austritt gegeben. Der Sprecher des Bistums Würzburg, Bernhard Schweßinger, äußert sich zu möglichen Austrittsgründen nicht; er teilt mit: „Jeder einzelne Austritt ist sehr bedauerlich und einer zu viel.“ Eine Standesbeamtin aus der Region glaubt, dass im Oktober jene Katholiken ausgetreten seien, die schon länger mit der Kirche gehadert hätten. „Die Leute haben mir gesagt: „Drüber nachgedacht habe ich lange; jetzt aber tue ich es wirklich“, so die Standesbeamtin.

Der Unterfranke Magnus Lux, Bundessprecher der Bewegung „Wir sind Kirche“, sieht die vielen Oktober-Austritte als klare Reaktion auf die Affäre um Tebartz-van Elst. „Der Vertrauensverlust in die katholische Kirche ist mindestens so groß wie vor drei Jahren beim Missbrauchsskandal“, sagt Lux. Viele Menschen nähmen es der katholischen Kirche übel, dass ihre Bischöfe – insbesondere Tebartz-van Elst – über Gelder selbstherrlich verfügen könnten und dabei nicht oder nur durch Kircheninterne kontrolliert würden. Lux vertritt die Auffassung, dass „wir alle Kirche sind“ und dass deswegen auch „alle über das Geld der Kirche informiert werden“ müssten. Für die Zukunft fordert die Kirchenvolksbewegung Mitbestimmung bei der Kandidatenfindung und der Wahl der Bischöfe – dem Grundsatz des frühchristlichen Papstes Leo folgend: „Wer allen vorstehen soll, soll von allen gewählt werden.“ „Wir sind Kirche“ will außerdem erreichen, dass bei der Verwaltung von bischöflichen und diözesanen Geldern und Besitzungen demokratische Rechtsgrundsätze angewendet werden. Nur so werde die Kirche Vertrauen zurückgewinnen, meint Lux.

Von der Austrittswelle ist auch die evangelische Kirche betroffen. Würzburgs Dekanin Edda Weise: „Der Skandal um den Limburger Bischof schadet auch der evangelischen Kirche – weil viele Leute zwischen beiden Kirchen nicht differenzieren.“ In Würzburg sind im Oktober 35 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten; im September waren es 19. Auch Bamberg und Schweinfurt melden deutlich höhere Austrittszahlen.

Unterdessen haben Recherchen dieser Zeitung ergeben, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass das Amtsgericht Hamburg Strafbefehl gegen Bischof Tebartz-van Elst erlässt. „Wir sehen überhaupt keinen Anlass dazu, den beantragten Strafbefehl zurückzunehmen“, so Carsten Rinio, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg. Damit scheint eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage vom Tisch zu sein. Zudem scheint ein Ermittlungsverfahren gegen den Limburger Bischof möglich. „Wir prüfen, ob sich ein strafrechtlicher Anfangsverdacht auf Untreue ergibt“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Limburg, Manuel Jung.

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Zuletzt geändert am 08­.11.2013