16.1.2014 - Börsenblatt

Zwischen Moral und Moneten

Die katholischen Diözesen stehen mit ihrer Entscheidung, bei Weltbild kein frisches Kapital mehr zuzuschießen, im Kreuzfeuer der Kritik. Debattiert wird jetzt, ob Kirche Unternehmer sein sollte. Dabei war sie es immer schon – die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.

Jüngstes Vorspiel zu der Frage nach dem Unternehmertum der Kirche war im Juli die Entscheidung des Frankfurter Stadtdekans Johannes zu Eltz, das Mietverhältnis mit der Herder-Traditionsbuchhandlung Carolus zu beenden. Einen Investitionsstau (marode Elektrik etc.) und einen Mietpreis von 15 Euro pro Quadratmeter wollte die Kirche als Vermieter in dieser 1A-Lage nicht mehr vertreten, "wir wollen ja gar keine Spitzenpreise erzielen, müssen aber investieren und rechnen“, sagte zu Eltz. Wenn 50 Meter von Carolus entfernt auf der Frankfurter Zeil Spitzenmieten bis zu 290 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden, böte die Kirche wegen versteckter Subvention keine geringe Angriffsfläche.

Eltz als Vorstandsvorsitzender des Gesamtverbands der 42 Frankfurter Kirchengemeinden ist mit der Klaviatur der Medien bestens vertraut und berief sofort nach der Entscheidung eine Pressekonferenz ein – im Bewusstsein, dass er eine höchst unpopuläre Entscheidung verkünden muss. Anders als bei Weltbild hat er sich dieser Aufgabe persönlich gestellt, hat das Dilemma der Kirche als Unternehmerin erklärt und auch, dass der Gesamtverband nicht die Mietpreise für seine fast 200 Wohnungen erhöhen könne, um eine Gewerbeimmobilie zu unterstützen. Das wurde verstanden.

Bischöfe auf Tauchstation

Bei Weltbild versuchte der Generalvikar der Diözese München und Freising, Prälat Peter Beer, als Aufsichtsratsvorsitzender von Weltbild rasch die Gründe darzustellen, allerdings nur in einer schriftlichen Erklärung. Sein Dienstherr, Kardinal Reinhard Marx, der bis zum 9. Januar noch hinter der Restrukturierung von Weltbild gestanden hatte, gab der „Süddeutschen Zeitung“ kurz Auskunft, der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa ließ auf der Bistumshomepage verlauten, er empfinde das Scheitern der Sanierungsbemühungen als „herbe Enttäuschung“, sei "in Gedanken bei den Weltbild-Mitarbeitern“ und wolle „gemeinsame Hilfsansätze solidarisch und auch materiell mittragen und zum gegebenen Zeitpunkt an anstehenden Gesprächen konstruktiv mitwirken.

Seitdem sind die Bischöfe auf Tauchstation, während sich in gedruckten wie digitalen Medien die Situation aufheizt - im Mittelpunkt immer die Frage: Wie „moralisch“ muss die Kirche als Unternehmerin sein, gelten für sie andere Maßstäbe? Die Erwartungshaltung auch von Katholiken formulierte am deutlichsten die Initiative "Wir sind Kirche"; ihr Sprecher Christian Weisner fragte, warum es trotz erheblicher kirchlicher Unterstützung nicht gelungen sei, ein Wirtschaftsunternehmen nach ethischen Grundsätzen zu führen. Weltbild hätte „ein positives Gegenmodell zu rein profitorientierten und ausbeuterischen Geschäftsmodellen“ sein können.

Werte oder Gewinne?

In diesem Spagat bewegt sich Weltbild im Prinzip schon seit seiner Gründung. Vor genau zehn Jahren, als Weltbild noch expandierte, sagte Karl Kardinal Lehmann im Interview mit dem Börsenblatt, es sei „immer eine Gratwanderung, auf der einen Seite gewinnorientiert und auf der anderen seite wertorientiert zu arbeiten“. Es müsse aber nicht immer ein Gegensatz sein. „Weltbild ist für die Kirche sicher auch wirtschaftlich ein gutes Engagement; das Geld, das verdient worden ist, wurde überwiegend reinvestiert." Nur so sei eine zügige Expansion möglich gewesen. Weltbild brauche seine finanzielle Stütze, sei trotz aller Erfolge am Markt „ein Unternehmen sui generis, eigener Art“, so Kardinal Lehmann im Jahre 2004.

Damals, Lehmann war als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz der Chef aller Bischöfe, verließ man sich in den Führungsetagen der Kirche auf die Berichte aus Augsburg – „mein Vertreter im Aufsichtsrat hat von mir jedenfalls noch nie einzelne Anweisungen bekommen.“ Die Bischöfe sahen es nicht als ihre Aufgabe, jeden einzelnen Titel zu begutachten; 2004 drehte sich die Debatte nicht um erotische Titel, sondern um mögliche schädliche Einflüsse von „Harry Potter“. „Es kann nicht meine Aufgabe sein, solche Probleme letztlich von außen zu beeinflussen“, meinte Lehmann. Sein Kölner Kollege, Kardinal Joachim Meisner, sah das wenige Jahre später ganz anders und brachte mit seinem Poltern gegen erotische Titel den Weltbild-Stein ins Rollen.

Kardinal Lehmann wog vor zehn Jahren sehr genau mögliche Kritik gegen Einflussmöglichkeiten ab. „Ob dieses oder jenes Buch nun wirklich den Werten entspricht, die die Kirche fördern möchte - diese Frage sorgt natürlich immer wieder für Diskussionen. Ich denke aber, die Möglichkeit, durch Weltbild mit der ganzen Gesellschaft zu kommunizieren, ist dieses Wagnis wert“, resümierte der Kardinal im Börsenblatt. Wie später Kardinal Marx vertrat er die Auffassung, dass die Kirche Instrumente brauche, „um auf dem heutigen Markt präsent zu sein. Wir wollen versuchen, den Markt moderat in unserem Sinne zu beeinflussen und mit Titeln erfolgreich zu sein, die sonst keinen so leichten Stand haben,“ so der Anspruch. Vor einigen Jahren scheint es Lehmann vermutlich doch zu heiß geworden zu sein – sein Bistum, das mit einem Anteil von 17 Prozent größter Weltbild-Gesellschafter war, übertrug wie später die Erzdiözese Köln ihre 7,2 Prozent auf den Verband der Diözesen Deutschlands, der heute mit diesen beiden Anteilen größter Gesellschafter ist (24,2 Prozent).

Nicht uninteressant, dass Kardinal Lehmann damals vor zu rascher Expansion warnte und ein „vernünftiges Wachstum“ forderte, auch weil die Kirche „im caritativen Engagement durch zu starke und zu schnelle Ausdehnung Schiffbruch erlitten“ habe. „Daraus haben wir – so hoffe ich – alle gelernt.“ Anscheinend nur bedingt: Weltbild wuchs und schloss sich im stationären Bereich im August 2006 mit Hugendubel zur DBH zusammen.

Geistliche Multifunktionäre als Manager

Die Verquickung zwischen den Bistümern und Weltbild war bis zum Schluss eng. An wichtigen Schaltstellen saßen Geistliche oder Angestellte der Bistümer. Von 1996 an war der Jesuitenpater Hans Langendörfer als Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Geschäftsführer der VDD im Aufsichtsrat von Weltbild, dem die Gesellschafter stets ihr uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen haben. Dass etwas an Langendörfer vorbeigelaufen sein soll – nicht denkbar. Der wegen des Erotik-Vorwurfs Ende 2011 als Weltbild-Aufsichtsratsvorsitzende zurückgetretene Klaus Donaubauer ist Finanzdirektor des Bistums Augsburg, sein Nachfolger Prälat Peter Beer Generalvikar der Erzdiözese München und Freising. Wirklich unangenehm wurde die causa Weltbild erst, als Papst Benedikt XVI., der auch einmal Erzbischof von München und Freising gewesen ist, einen Skandal befürchtete. Die Verkaufsbemühungen wurden vorangetrieben.

Die katholische Kirche als Unternehmen:
  • Die Caritas beschäftigt aktuell 559.000 hauptamtliche Mitarbeiter.
  • Es gibt 24.000 Mitglieder in Orden, viele arbeiten in den Bereichen Erziehung, Medizin und Pflege.
  • Die katholische Kirche ist Mehrheitsgesellschafter der TV-Produktionsfirma Tellux mit 100 Mitarbeitern (Tatort, „Polizeiruf 110) sind einige Bistümer.
  • Sie ist im Besitz der Nachrichten-Agentur KNA, KNA Bild und unterhält Beteiligungen am Dom Radio
  • Die Kirche bewirtschaftet Weingüter an Mosel und Rhein
  • Die Klosterbrauerei Andechs gehört der Benediktiner-Abtei Sankt Bonifaz in München, die soziale Projekte wie die Obdachlosenhilfe finanziert; die Adelholzener GmbH (Mineralwasser, Jahresumsatz mehr als 100 Millionen Euro) ist in Besitz der Kongregation der Barmherzigen Schwestern (soziale Projekte, Krankenhäuser und Pflegeheime).
  • Der Kirche gehören Hotels (katholische und evangelische Kirche kommen zusammen auf mehr als 60) und zahlreiche Wohnungsgesellschaften, wie die Aachener Siedlungs- und Wohungsgesellschaft oder der Gesamtverband der 42 Frankfurter Kirchengemeinden.
  • Versicherungen von Kfz bis Krankenversicherung (Ecclesia, Bruderhilfe, Pax Familienfürsorge usw.); Banken wie Pax Bank, Liga, die BIB (Bank im Bistum Essen, 2010: 3,46 Milliarden Euro an Kundeneinlagen), Bank für Orden und Mission, Steyler bank und Bank für Kirche und Caritas sind im Portfolio.
  • Es gibt 908 katholische Schulen und 9.200 Tageseinrichtungen, die 80.000 Pädagogen beschäftigen.
  • Die katholische Kirche ist mit rund 700 Einrichtungen der zweitgrößte Träger im Bereich der Erwachsenenbildung und beschäftigt hier etwa 3.000 Mitarbeiter; es gibt auch 3.600 öffentliche katholische Büchereien und 115 periodische katholische Publikationen.


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Stefan Hauck

Zuletzt geändert am 17­.01.2014