10.3.2014 - Die Welt

Entspannter Zollitsch hinterlässt ein Machtvakuum

Der scheidende Vorsitzende der deutschen Bischöfe zieht eine gemischte Bilanz seiner Amtszeit. Robert Zollitsch ist erleichtert, dass er mit den anstehenden Flügelkämpfen nichts mehr zu tun hat. Von Lucas Wiegelmann

Eine Wahl hinter verschlossenen Türen. Katholische Würdenträger, die geheimnisvolle Mienen machen. Fromme Worte zu Beginn, die den Beistand von oben erbitten. Und das alles Anfang März, genau ein Jahr nach der Wahl des neuen Papstes. Es liegt ein Hauch von Konklave in der Luft in diesen Tagen im Priesterseminar zu Münster. Nur das Wetter ist anders. Viel besser und wärmer als 2013 in Rom, als die Schaulustigen den weißen Rauch im Regen bejubelten.

Doch bevor auch der viel beschworene Geist von Franziskus in Münster wehen konnte, musste erst das Phantom Franz-Peter gebannt werden. Bis Montag Mittag wusste noch niemand Bescheid, ob der umstrittene Limburger Bischof Tebartz-van Elst denn nun teilnehmen werde an der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) oder nicht. Widersprüchliche Gerüchte waren im Umlauf. Erst Erzbischof Robert Zollitsch, der scheidende DBK-Vorsitzende, beendete in seinem Eröffnungsstatement die Verwirrung und verkündete feierlich: "Der Bischof von Limburg wird nicht teilnehmen." Vertreten wird Tebartz vom Limburger Weihbischof Thomas Löhr.

So tritt die heikle Personalie in den Hintergrund und gibt den Blick frei auf eine katholische Kirche in Deutschland, die vor einem Neuanfang steht. Der Hype um den neuen bescheidenen Papst und die Reformimpulse, die er aussendet, setzen die deutschen Oberhirten unter Zugzwang. Gleichzeitig bieten sie aber auch neue, ungeahnte Spielräume.

Bischofskonferenz muss sich neu erfinden

Liberale wie Konservative wissen, dass man sich in einem seltsamen Schwebezustand befindet. In einem Machtvakuum, in dem man viel Einfluss gewinnen – oder aber verspielen kann. Mehrere deutsche Bistumssitze sind zurzeit vakant, darunter Schwergewichte wie das Erzbistum Köln. Und dann hat der Papst mit seiner Umfrage zur Sexualethik auch noch die Frage aufgeworfen, ob die Kirche bei ihrer Morallehre auf die Meinungen der Laien Rücksicht nehmen muss.

Das Bistum Rottenburg-Stuttgart toppte die gewaltigen Baukosten von 31 Millionen Euro im Bistum Limburg. 39 Millionen Euro verschlang der Umbau des Verwaltungsgebäudes der Diözese. Zuvor waren 36,5 Millionen Euro eingeplant gewesen. Der Unterschied zu Limburg: Die Kosten wurden von Anfang an transparent gehalten. Kirche

Franziskus hat in seinem Lehrschreiben "Evangelii Gaudium" verlangt, dass regionale Einheiten wie etwa die Bischofskonferenzen mehr Kompetenzen gegenüber der Vatikanzentrale bekommen sollen. Die Deutsche Bischofskonferenz kann und muss sich neu erfinden. Doch ausgerechnet in dieser Situation tritt nun auch noch ihr Vorsitzender aus Altergründen ab, und die mehr als sechzig Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe wählen in Münster aus ihrer Mitte seinen Nachfolger – eine Richtungswahl.

Robert Zollitsch wirkt erleichtert, dass er mit den nun bevorstehenden Macht- und Flügelkämpfen nichts mehr zu tun hat. Locker stellt er sich zum Auftakt der Vollversammlung am Nachmittag vor die wartenden Journalisten. Er scheint sich einen Spaß daraus zu machen, über alle heißen Themen zu sprechen, die sich Bischöfe sonst nur mühsam aus der Nase ziehen lassen. Er plaudert über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten ("Wiederverheiratete gehören ganz klar zur Kirche."), über Homosexuelle, die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, über einen möglichen Umzug der DBK-Geschäftsstelle von Bonn nach Berlin.

Prüfungsbericht mit Tebartz besprochen

Sein entspannter Blick scheint zu sagen: Das soll jetzt der Neue managen – ich bin dann mal weg. Als Zollitsch über die Ukraine-Krise spricht, bezeichnet er Russland als Sowjetunion. Aber selbst dieses Versehen kann seine Stimmung nicht trüben. Die Tage, an denen in den Medien jedes seiner Worte seziert werden konnte, sind ja gezählt.

Besonderen Wert legt Zollitsch auf den Papstvorstoß, die Bischofskonferenzen aufzuwerten. "Franziskus will unsere Position stärken." Auch auf den Fall Tebartz kommt Zollitsch zu sprechen, ungefragt. Er habe den Prüfungsbericht erhalten, ihn mit Bischof Tebartz besprochen und das Papier schließlich persönlich in Rom der Bischofskongregation übergeben: "Ich hoffe, dass sich die Entscheidung in Rom nicht allzu lange hinzieht und im Interesse des Bischofs, des Bistums Limburg und der Kirche in Deutschland getroffen werden wird."

Als "verbesserungsfähig" bezeichnete der scheidende Vorsitzende die Solidarität der Bischöfe untereinander. Er habe in sechs Jahren Amtszeit die Erfahrung gemacht, dass die Verbindlichkeit gemeinsamer Beschlüsse mitunter als Gegensatz zur Autonomie des einzelnen Bischofs gesehen werde.

Neuer Anlauf zur Aufarbeitung der Missbrauchsskandals

Am Montagnachmittag kamen auch Zollitschs Amtsbrüder für erste Beratungen zusammen. Für den Abend war die Eröffnungsmesse im Münsteraner Dom geplant, drei Fußminuten vom Tagungsort entfernt, dem Priesterseminar Borromaeum. Am Dienstag wollen sich die Bischöfe Gedanken machen über die Lage der Kirche in Deutschland. Das ist der Teil der Beratungen, in dem sich mögliche Kandidaten warm laufen können.

Unter anderem soll besprochen werden, wie man die wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals doch noch einmal voranbringt, nachdem ein Forschungsprojekt des Kriminologen Christian Pfeiffer im vergangenen Jahr gescheitert war.

Auch wollen die Oberhirten sich vorbereiten auf die Bischofssynode in Rom, die für Oktober geplant ist: Bei dem Treffen wird der besagte Sexualethik-Fragebogen diskutiert, den der Papst weltweit verschickt hatte.

Am Mittwoch wird Zollitschs Nachfolger gewählt

Am Mittwochvormittag dann wird Zollitschs Nachfolger gewählt. In den ersten beiden Wahlgängen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Der schwierigste Teil kommt für den neuen DBK-Vorsitzenden allerdings erst nach der Wahl. Die Erwartungen der verschiedenen katholischen Lager an ihn gehen weit auseinander, vor allem bei der Frage, wie eigenständig oder romtreu die DBK unter ihm werden soll. Kurienerzbischof Georg Gänswein hatte schon im Februar gemahnt, der Konferenzvorsitzende sei kein "Nationalpapst".

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" verteilte am Montag in Münster einen offenen Brief an die wählenden Bischöfe mit anderen Wünschen. Der Zollitsch-Nachfolger solle "nicht nur ein Mann des Ausgleichs sein, der Freiräume für Gespräche und einen offenherzigen Gedankenaustausch schafft, sondern auch ein Mann der Ideen zur Frage, wie unsere Kirche in Deutschland und in der Welt zukünftig gestaltet werden soll, und zwar ohne Denkverbote und ohne Angst vor Maßregelungen durch römische Behörden, die allen Neuerungen ablehnend gegenüberstehen". Der neue Mann wird nicht alle Seiten zufrieden stellen können.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article125652252/Entspannter-Zollitsch-hinterlaesst-ein-Machtvakuum.html

Zuletzt geändert am 11­.03.2014