27.3.2014 - Die Welt

"Unglaublicher kriminalistischer Aufklärungsakt"

Aktenzeichen 5 Js 14546/13: Zwei Staatsanwälte arbeiten am Verschwendungs- und Verschleierungsfall Limburg. 30 Strafanzeigen gibt es in der Causa Tebartz-van Elst. Nicht alle davon gegen den Bischof. Von Christian Eckl

Der tiefe Fall des Franz-Peter Tebartz-van Elst hat das Zeug zum Lehrstück für Bischöfe. Er sagt viel darüber aus, welche Versuchung die Hierarchie für einen Bischof ist: Dass ein Mann als absolutistischer Herrscher wie ein Landesfürst regieren kann, macht manchen Oberhirten anfällig für einsame Entscheidungen. Geld verdirbt ja bekanntlich den Charakter. Bei Tebartz-van Elst hat es eine zunächst hoffnungsvolle Theologenkarriere zerstört, gleichzeitig aber auch ein Bistum an den Rand der Auflösung gebracht.

Jetzt hat Papst Franziskus gesprochen – Tebartz-van Elst ist der gefallene Sohn, der Gescheiterte. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?

"Zu Beginn seiner Amtszeit ist der Bischof mit verschiedenen, auch seine persönliche Situation betreffenden Indiskretionen sowie mit Unterschlagungen im Bereich des Ordinariats Limburg konfrontiert worden", heißt es im Prüfbericht der Bischofskonferenz. Das Vertrauen war erschüttert.

Der Bischofsstuhl als Schleudersitz

Tebartz-van Elst nutzte seine Rechte als alleiniger Gesetzgeber in seiner Diözese restlos aus: Er sortierte das Vermögen des Bistums neu, schaufelte Geld aus dem mit Kirchensteuern gefüllten, aber transparenten Bistumsvermögen in den Bischöflichen Stuhl, über den er allein verfügte und der nicht der Kontrolle der Kirchensteuergremien unterlag. Am Ende aber wurde für ihn der Bischöfliche Stuhl zum Schleudersitz.

Ist der Bischof also Opfer des Umstandes geworden, dass man einem katholischen Bischof gerne den Ring küsst? Dass er Alleinherrscher war in seinem Bistum?

Christian Weisner ist Vorsitzender der kritischen Laienbewegung "Wir sind Kirche", der konservative Kleriker wie Gerhard Ludwig Müller in tiefer Feindschaft gegenüberstehen. Er glaubt nicht, dass ein Bischof automatisch zum Alleinherrscher werden muss.

"Wir sind die Guten"

"Ich denke, das hat viel mit der Persönlichkeit eines Bischofs zu tun." Tebartz-van Elst habe den Gläubigen und auch den Mitarbeitern im Ordinariat zu Beginn das Gefühl vermittelt, "er könne zuhören". Doch in Wahrheit habe er nicht zugehört, sondern sich verschanzt – "nach dem Motto: Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen", so Weisner.

Dabei ist Tebartz-van Elst demokratischer ins Amt gekommen als etwa seine bayerischen Amtskollegen. Im Bistum Limburg wird ein Bischof gewählt – natürlich ist es nicht das Kirchenvolk, das wahlberechtigt ist, wohl aber das Domkapitel, das Tebartz-van Elst am Ende dieser Tragödie in tiefer Feindschaft gegenüberstand.

Vieles deutet darauf hin, dass Tebartz-van Elst am Machtwillen einiger Kleriker in seinem Bistum gescheitert ist. "Er ist mit dem Auftrag von Papst Benedikt in das Bistum geschickt worden, die guten synodalen Strukturen, die unter seinem Vorgänger eingerichtet wurden, wieder rückgängig zu machen", schätzt Weisner die Vorgänge ein.

"Vermeiden Sie alles, was zu einer Gerichtssitzung führt"

Dabei wollte sich Tebartz-van Elst wohl für die Nachfolge von Joachim Meisner – wie er ein Kirchenfürst, der die Vorstellung eines von Gott eingesetzten Bischofs vertritt – in Köln warmlaufen. Nach dem bescheiden auftretenden Franz Kamphaus, der in einer Zweizimmerwohnung residierte und wie Franziskus heute im eigenen Wagen durch sein Bistum fuhr, erlebte der Klerus von Limburg einen Kulturschock.

Wie kaum ein anderer Fall in der jüngeren Vergangenheit der Kirchengeschichte steht Tebartz-van Elst also für die Gegensätze von dem Bischofsbild, das Papst Benedikt hatte und dem, das Papst Franziskus wohl vertritt. Für Weisner ein Grund zu jubeln: "Persönlich habe ich durchaus Mitleid mit Tebartz-van Elst. Doch wir werden jetzt Bischofsernennungen in Deutschland unter den Augen von Papst Franziskus erleben – ich glaube, da werden ganz andere Personen zu Bischöfen geweiht", glaubt der Laienvertreter.

Für den Vorsitzenden von "Wir sind Kirche" ist der Prüfbericht "ein unglaublicher kriminalistischer Aufklärungsakt". Damit spricht er an, was man offenbar in der Kirche gefürchtet hat: Dass der Fall Limburg am Ende justiziabel wird, ein Präzedenzfall ist er nämlich ohnehin schon. Der neue Administrator Manfred Grothe, gleichzeitig Vorsitzender der Prüfkommission, hat den Bericht letztendlich öffentlich gemacht, angeblich gegen den Widerstand der Anwälte Tebartz-van Elsts. "Aber vermeiden Sie alles, was zu einer Gerichtssitzung führt", habe man ihm gesagt. Wer das sagte, Rom oder die Bischofskonferenz, blieb unklar.

Aktenzeichen 5 Js 14546/13

In Limburg sitzen nun zwei Staatsanwälte über dem Prüfbericht und lesen jede Zeile ganz genau. Bislang haben die Ermittler lediglich ein Aktenzeichen angelegt, mehr nicht: 5 Js 14546/13 lautet es. Erhalten hat die Staatsanwaltschaft Limburg den Prüfbericht der Kommission am Mittwochmorgen – einige Stunden, bevor er ohnehin veröffentlicht wurde. Der Vorsprung ist bei dem 108-Seiten-Werk jedoch marginal.

Ein Bischof in Hessen, also auch der in Limburg, steht vor dem Gesetz nach wie vor wie ein Landesfürst da. Er ist der Chef. "Man muss strikt unterscheiden zwischen Kirchenrecht und weltlichem Strafrecht", sagt Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Herrchen. Er ist Sprecher der Limburger Behörde. "Derzeit kann man noch nicht absehen, ob ein Anfangsverdacht gegen den Bischof besteht", so Herrchen weiter.

Die Limburger haben noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet und sie werden noch einige Tage brauchen, um zu klären, ob es dieses überhaupt geben wird. "Wir werden das ebenso akribisch überprüfen wie bei jedem anderen auch", sagt Herrchen. "Allerdings werden wir versuchen, schneller dabei zu sein wie der Apostolische Stuhl", schmunzelt der altgediente Staatsanwalt.

Klarer Verstoß gegen Kirchenrecht

Der Fall ist juristisch gesehen zwar heikel, aber in Limburg haben sich zwei Staatsanwälte in den letzten Wochen eingearbeitet. 30 Strafanzeigen gibt es in der Causa Tebartz-van Elst, nicht alle richten sich gegen den Bischof. Zwar listet der Prüfbericht eklatante Kostensteigerungen auf, auch Luxusgüter wie einen Koi-Teich für 213.000 Euro oder Antiquitäten für mehr als eine Million Euro. Doch für die Staatsanwälte spielt das wohl keine strafrechtliche Rolle.

Ob aus der Umwidmung des inzwischen berühmt-berüchtigten Sankt Georgswerkes ein Untreuetatbestand abgeleitet werden kann, ist zudem eher fraglich. Es ist keine Stiftung unter staatlicher Aufsicht, sondern ein stiftungsähnliches Vermögen. 1948 eingerichtet, sollten Sozialwohnungen für Heimatvertriebene gebaut, aber auch Pfarrhäuser nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. Als keine Heimatvertriebenen mehr kamen und alle Pfarrhöfe neu gebaut waren, wurde es 1954 umgewidmet – in Limburg sollte bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit Behinderung geschaffen werden.

2011 löste Tebartz-van Elst das Vermögen auf – ein klarer Verstoß gegen Kirchenrecht, wie der Prüfbericht ausführt. Doch auch wenn es kirchenrechtlich gegen die Satzung verstieß, Wohnungen für Behinderte zu bauen, ja selbst wenn Tebart-van Elsts Verhalten moralisch fragwürdig war, strafrechtlich relevant ist es wohl nicht. Denn als Bischof ist er Chef des Bischöflichen Stuhls.

Die 6,8 Millionen Euro, die er für seinen Bischofssitz aus dem Sankt Georgswerk zog und beispielsweise für wertvolle, extra für ihn gefertigte Möbel verwendete, schmälerten weder das Vermögen des Bischöflichen Stuhls, noch war es stiftungsrechtlich angreifbar. Am Ende könnte also eine Einstellung des Verfahrens stehen, wenn denn überhaupt eines eröffnet wird.

Ähnlich teure Umbauten geplant

Carsten Frerk gilt als ausgewiesener Experte, was die Finanzen der katholischen Kirche betrifft. Die jahrhundertealten Strukturen, die jedem begegnen, der die Güter der Kirche recherchiert, sind Teil des Problems, die Causa Limburg ist nur die Spitze des Eisberges. "Ich empfinde den Limburger Bischofssitz nicht als außergewöhnlich luxuriös", sagt Frerk überraschend, "zumindest nicht, wenn man ihn vergleicht mit anderen Bauten, die sich Bischöfe derzeit hinstellen."

So sei im Bistum Rottenburg-Stuttgart das Palais des Bischofs teilweise neu errichtet worden, zusammen mit dem neuen Diözesanzentrum kostete es 40 Millionen Euro. "Das ist die Größenordnung, in der sich auch der Limburger Bischof bewegte", so Frerk.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der gemeinhin als Gegner Tebartz-van Elsts, als leutseliger Mann und mit seinem Buch "Das Kapital" quasi als der Gegenentwurf eines Verschwenders gilt, baut für das Ordinariat derzeit ein "Dienstleistungszentrum" für 130 Millionen Euro. "Und jetzt plant auch Kardinal Rainer Maria Woelki in Berlin den Umbau seines Domes für 40 Millionen Euro – all das ist durchaus mit Limburg zu vergleichen", so Frerk.

Alltag in der katholischen Kirche

Entscheidender Fehler Tebartz-van Elsts war es also, die Kosten aktiv verschleiern zu wollen. Für Frerk ist das in der Katholischen Kirche aber Alltag. Als die Debatte über den Limburger Bischof vergangenes Jahr virulent wurde, legten einige Bistümer auch die lange gehüteten Geheimnisse über das Vermögen der Bischöflichen Stühle offen.

"Da war beispielsweise Köln, das reichste Bistum Deutschlands. Das bezifferte die Anteile an der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mit dem Stammkapital von 15 Millionen Euro. Das sind 23.000 Immobilien mit einem Gesamtwert von 2,3 Milliarden, davon hält das Bistum Köln etwa 1,2 Milliarden Euro an Werten", so Frerk. Die Bischöfe aber haben sich gegenseitig an die Kandare genommen.

"In der Satzung des Werkes steht, dass ein Bistum nur die Anteile an dem Siedlungswerk verkaufen kann. Als das Bistum Essen aussteigen wollte, lachten die anderen Eigentümer und sagten, die fünf Millionen Euro bringen sie schon auf!" Wert der Immobilien laut Anteilen des Bistums Essen nach seinen Schätzungen: 300 Millionen Euro.

Bistum in Verruf gebracht

Ob sich die Bischöfe also gegenseitig in die Bücher schauen? Wer wusste bei den Amtsbrüdern Tebartz-van Elsts etwas über die Kostenexplosion in Limburg und über die Umwidmung von Sondervermögen, von Wohnungen für Behinderte hin zu luxuriösen Antiquitäten für den Bischof? "Es kommt wohl sehr auf das persönliche Verhältnis zwischen den Bischöfen an, ob sie sich so etwas anvertrauen", mutmaßt Frerk.

Die Einschätzung Frerks, eigentlich sei in Limburg gar nichts Ungewöhnliches geschehen, teilt "Wir sind Kirche"-Chef Christian Weisner übrigens nicht ganz. "Man muss einmal sehen, dass Tebartz-van Elst sein Bistum weit über die Grenzen Deutschlands hinaus in Verruf gebracht hat", so der Laienvertreter. "Er hat sogar Papst Franziskus an den Abgrund geführt, der nun entscheiden musste über seine Zukunft." Denn letztlich stelle sich doch diese Frage: "Was sagt ein afrikanischer Bischof über ein Haus für 30 Millionen Euro? So viel Geld hat der für sein ganzes Bistum in zehn Jahren nicht!"

Bischof Tebartz-van Elst stellt sich diese Frage offensichtlich nicht. "Das ist doch wie im Strafrecht: Die Einsicht in die Tat ist entscheidend", sagt Weisner. Daran mangelt es dem Mann offenbar, der mehr Kirchenfürst als Seelsorger und Hirte sein wollte.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article126264486/Unglaublicher-kriminalistischer-Aufklaerungsakt.html

Zuletzt geändert am 28­.03.2014