14.5.2014 - Süddeutsche Zeitung

Wacklige Brücken

Reformgruppen stellen Programm für „Katholikentag plus“ vor

Regensburg – Mehr als tausend Veranstaltungen sind für den Deutschen Katholikentag Ende Mai in Regensburg geplant, das Begleitheft hat ungefähr die Stärke eines mittleren Telefonbuches. Auch Terminhinweise aus dem kirchlichen Umfeld finden sich darin, allerdings nicht alle. Ein paar Frauen und Männer kramen am Dienstag daher ihre eigenen Ankündigungszettel hervor. Es sind Mitglieder kirchlicher Reformgruppen, die im Nebenzimmer einer Gaststätte für ihren „Katholikentag plus“ werben. Es handele sich lediglich um eine Ergänzung zum offiziellen Programm, versichern die Organisatoren. Das Bistum Regensburg sieht das etwas anders.

Der „Katholikentag plus“ sei nichts weiter als „eine Gegenveranstaltung“, sagt Bistumssprecher Clemens Neck, „eine Agenda der Selbstbeschäftigung“. Und dass man davon schon „irritiert“ sei. So mancher kirchliche Würdenträger könnte sich sogar provoziert fühlen angesichts der Namen, die im parallel zum Katholikentag (28. Mai - 1. Juni) angesetzten Programm auftauchen: Eugen Drewermann etwa ist angekündigt, ein suspendierter Priester und Theologe mit entzogener Lehrerlaubnis, der vor Jahren aus der Kirche austrat. Oder Helmut Schüller, der ehemalige Wiener Generalvikar und Gründer der Priester-Initiative „Aufruf zum Ungehorsam“, dem in Regensburg unlängst ein Auftritt in den Räumen einer Pfarrei untersagt wurde.

Auch Themen wie „Demokratie in der Kirche“ und „Wider die Demontage von Laienrechten“ lassen nicht erwarten, dass die geistliche Obrigkeit beglückt frohlocken wird. Sämtliche Begegnungen sind in Räumen der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitskirche anberaumt, im Herzen der Stadt. Weitere Veranstalter sind „Wir sind Kirche“ und die „Leserinitiative Publik-Forum“, die sich nicht nur als kritische Reformbewegungen verstehen, wie ihre Sprecher beteuern, sondern auch als große Katholikentag-Fans. Weil das offizielle Programm „ein unzensiertes Diskussionsforum“ aber vermissen lasse, habe man sich dazu entschieden, den „Katholikentag plus“ zu organisieren.

Neu daran ist vor allem der Titel. Schon bei vergangenen Katholikentagen gab es immer wieder begleitende Veranstaltungen, bei denen sich Querdenker zu Wort melden konnten. Man wolle ein Angebot an all jene richten, die in der Amtskirche kein Zuhause mehr haben, sagt Agnes Frei vom Publik-Forum. Die Kritik richtet sich weniger gegen den Veranstalter, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), als vielmehr gegen den Einfluss des Gastgebers, das Bistum Regensburg. „Wer zahlt, bestimmt“, sagt Christian Weisner („Wir sind Kirche“). Er glaube sogar, dass der „Katholikentag plus“ in Teilen des ZdK als willkommenes Ventil betrachtet werde, weil er vieles biete, was das ZdK gegen die Diözese nicht durchsetzen habe können.

Das Bistum entgegnet, schon das offizielle Programm sei von einer „grandiosen Vielfalt“ geprägt. Im Übrigen teile Bischof Rudolf Voderholzer die Ansicht von Papst Franziskus, dass die Kirche an die Ränder gehen und sich weniger mit sich selbst beschäftigen solle. Schon deshalb könne der „Katholikentag plus“ nicht im Sinne des Papstes sein. Doch auch die Reformgruppen berufen sich auf Franziskus. Eine seiner Verkündigungen laute schließlich: „Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes. In ihrem Dienst steht eine Minderheit: die geweihten Amtsträger.“ Wie fünf weitere Botschaften des Papstes haben sie diese Worte auf jeweils 2500 Postkarten drucken lassen.

„Mit Christus Brücken bauen“ lautet das Motto des 99. Katholikentags. Zwischen manchen Protagonisten dürften sie schon jetzt abgebrochen sein. Vor zwei Jahren in Mannheim hatte der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller kritische Gruppen als „parasitäre Existenzform“ bezeichnet. Wenn sie nun sehe, wie der Katholikentag von Bund, Freistaat und Stadt unterstützt werde, sagte Sigrid Grabmeier („Wir sind Kirche“), der „Katholikentag plus“ sich aber selbst finanzieren müsse, könne sie das Kompliment gerne zurückgeben.

WOLFGANG WITTL

BILDUNTERSCHRIFT: Eugen Drewermann und Helmut Schüller werden in Regensburg sprechen

Zuletzt geändert am 03­.06.2014