2.6.2014 - Heilbronner Stimme

„Wir müssen unseren Freiraum an der Basis nutzen“

Ute Heberer von der Kircheninitiative „Wir sind Kirche“ über den Reformbedarf der Katholischen Kirche und Papst Franziskus

INTERVIEW Die Kircheninitiative „Wir sind Kirche“ hatte in Regensburg den Katholikentag Plus ausgerufen. Die Reformgruppe will damit eigene Akzente setzen und eine größere Meinungsvielfalt zulassen. Kritiker und von der Kirche ausgeschlossene wie der ehemalige Priester Eugen Drewermann kommen hier zu Wort. Unser Redakteur Jens Dierolf hat sich mit Ute Heberer aus Rheinstetten im Erzbistum Freiburg unterhalten. Die 59-Jährige war bis 2013 im Bundesteam von „Wir sind Kirche“.

Wie beschreiben Sie die aktuelle Situation in der katholischen Kirche zum Katholikentag?
Ute Heberer: Die katholische Kirche als Institution hat große Probleme damit, die christliche Botschaft noch glaubwürdig zu vertreten. Als Christin vergleiche ich die Situation oft mit der Situation zur Zeit Jesu. Damals war Jesus der gesellschaftlichen Entwicklung seiner Zeit voraus. Heute ist es in der Kirche genau umgekehrt.
In der Entwicklung der Menschenrechte ist unsere Gesellschaft viel weiter fortgeschritten als die Gesetzgebung der katholischen Kirche. Glaubwürdig können aber nur Botschaften weitergeben werden, wenn auch die Botschafter das leben, was sie verkünden.

Die Reformbewegungen haben große Hoffnung in Papst Franziskus. Was erwarten Sie?
Heberer: Viele seiner Aussagen sind für mich als linksliberal denkende Katholikin genau das, was wir in der Praxis verwirklichen sollten. Mich fasziniert seine kapitalismuskritische Sicht oder seine Aussagen, die die starke Rolle der Laien in der Kirche hervorheben.

Welche Reaktionen erfahren Sie hier in Regensburg?
Heberer: Ich muss sagen, nicht immer positive. Es sind viele konservative Menschen hier mit sehr starken Beharrungskräften, die das Bestehende nicht infrage stellen möchten. Jemand hat zu mir gesagt, „geh doch zur SPD“. Ich nehme an, das ist hier eine Beschimpfung. Mir ist es aber wichtig, dass wir in Kontakt mit den Konservativen treten. Alle Seiten haben ihre Berechtigung in dieser Kirche. Wir müssen uns zuhören. Denn nur im Dialog finden wir die Wahrheit. Das wären Brücken.

Welche Reformen fordern Sie?
Heberer: Franziskus hat richtig gesagt: Wir müssen uns um die Menschen am Rande der Gesellschaft kümmern. Eine andere, bessere Welt ist möglich. Das ist mit Reich Gottes gemeint, keine Jenseitsvertröstung. Innerhalb meiner Kirche stehe ich für volle Rechte der Frauen in allen Bereichen. Immerhin, unsere Forderung nach Eucharistie für Wiederverheiratete findet immer mehr Zuspruch.

Wer soll den Wandel voranbringen?
Heberer: Frauen bringen Veränderung. Vieles in der Kirche bewegt sich nicht, weil nur Männer entscheiden. Es steckt Angst dahinter, die eigene Wahrheit infrage zu stellen, zugeben zu müssen, dass das Bisherige falsch war. Aber das muss es nicht heißen. Es gibt immer einen Wandel. Ich wünsche den Herren mehr Mut.

Sie waren Pfarrgemeinderätin. Was lässt sich an der Basis bewegen?
Heberer: Es gibt oft so viele Aufgaben, dass wenig Raum für neues Gedankengut bleibt. Oft sind die Reaktionen auf konkrete Vorschläge wohlwollend, manchmal verhalten.

Das klingt nicht gerade nach Aufbruch.
Heberer: Doch, es gibt nicht nur an der Basis Bewegung, sondern auch viele gute Botschaften aus Rom. Ich bin in der Kirchenreformarbeit aktiv geworden, weil mir der Kurs von Papst Benedikt XVI. zu konservativ war. Franziskus ist anders. Er hört den Menschen genau zu. Es geht ihm nicht darum, die Symptome zu behandeln, sondern die Ursachen. Er gibt den Bistümern größeren Freiraum. Den müssen wir an der Basis nutzen.

Zuletzt geändert am 02­.06.2014