Juli 2014 - Herder Korrespondenz

Regensburger Katholikentag

Ein ganz normaler Katholikentag mit doch eigener Agenda Ende Mai fand in Regensburg der 99. Deutsche Katholikentag statt. Vieles war wie immer; die gastgebende Diözese und ihr Bischof verschafften dem Katholikentag aber auch eine ganz eigene Prägung.

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Streitfall .Donum Vitae"

Schon zu Beginn der Programmarbeit für den 99. Katholiken tag ließ Bischof Rudolf Voderholzer erkennen, dass er die Präsenz von .Donum Vitae", als eines für ihn offensichtlich nicht katholischen Vereins beim Katholikentag nicht fraglos akzeptieren werde. Dieses freilich nicht ganz überraschende Signal wiederum traf bei einigen Mitgliedern des ZdK auf relativ blanke Nerven.

Die von katholischen Laien auch und vor allem aus den Reihen des ZdK gegründete Initiative "Donum Vitae" führt, nach dem von Rom verlangten Ausstieg der deutschen Bischöfe aus dem gesetzlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung, diese in einem nach eigenem Anspruch christlichen und auch kirchlich-katholischen Sinne fort. In den vergangenen fünfzehn Jahren seit Bestehen von "Donum Vitae" haben prominente Katholikinnen und Katholiken, die sich in dem Verein "Donum Vitae" engagieren, aber immer wieder "Ausgrenzungserfahrung" von Seiten des kirchlichen Amtes machen müssen (vgl. HK, Februar 2012, 82ff.).

Am Ende eines dem Vernehmen nach recht "intensiven" Diskussionsprozesses und offenkundig geschuldet auch dem politisch-strategischen, diplomatischen Geschick des ZdK-Präsidenten stand nun eine Veranstaltung im offiziellen Katholikentagsprogramm, programmatisch betitelt "Schwangerenberatung und Schwangerenkonfliktberatung. Zum Schutz des ungeborenen Lebens als gemeinsame Aufgabe". Diese Veranstaltung war für Bischof Voderholzer die Bedingung gewesen, um "Donum Vitae" auf dem Katholikentag überhaupt zu dulden.

Auf dem Podium diskutierten zwei Vertreterinnen katholischer Lebensrechtsgruppen und eine Beraterin von "Donum Vitae", der emeritierte Osnabrücker Sozialethiker, Manfred Spieker, einer der Hauptprotagonisten im "Streit um den Schein", der jede Beteiligung kirchlicher Beratungsstellen an der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung mit der Ausgabe eines Beratungsnachweises ablehnt, der Frankfurter Moraltheologe und Jesuit Iosef Schuster quasi als Gegenpart zu Spieker und die CSU -Sozialpolitikerin Barbara Stamm, eine Förderin von "Donum Vitae", In seinem Impulsreferat zur aktuellen Lage der katholischen Beratungsstellen und ihrer Arbeit hatte sich der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, eindrücklich bemüht, eine Grundlage für eine faire und konstruktive Auseinandersetzung zu legen. Das offizielle Fazit der kontroversen Podiums-Diskussion, bei der auch viele sattsam bekannte Argumente wiederholt wurden: Zu 90 Prozent stimme man, die katholischen Lebensrechtsgruppen und "Donum Vitae", überein im gemeinsamen Ziel, Leben schützen zu wollen. Ein erster Schritt, dieses Grundtrauma der deutschen Ortskirche zu heilen?

Im Katholikentagsprogramm spiegeln sich aber ebenso quasi überregional verschiedene Ansprüche und Interessen. So gestalten beispielsweise Verbände, Ordensgemeinschaften oder geistliche Gemeinschaften, Organisationen, regionale Gruppen und auch die weltkirchlichen Werke, der Caritasverband und der Leiterkreis der katholischen Akademien in Deutschland "ihre" Veranstaltungen innerhalb des Katholikentagprogramms - selbstredend vor dem Hintergrund ihres eigenen Auftrags und Selbstverständnisses, aber natürlich auch mit mal mehr, mal weniger erkennbaren Bezug zu Thema und Leitwort des Katholikentages. Fraglos passt vieles unter ein Motto wie "Mit Christus Brücken bauen".

Beispielhaftes Miteinander

Und immer noch kommen weitere "Mitveranstalter" zum Katholikentag dazu: So hat in Regensburg beispielsweise zum ersten Mal der Katholisch-Theologische Fakultätentag, der Zusammenschluss der Theologischen Fakultäten und der Institute für Katholische Theologie in Deutschland, eine eigene Veranstaltung verantwortet und damit ein häufig moniertes Desiderat des Katholikentages geschlossen: eine populärwissenschaftlich aufbereitete und vermittelte Auseinandersetzung mit aktuellen, genuin theologischen Fragen: In der konkreten Veranstaltung ging es um die Vorstellungen heutiger Zeitgenossen von Tod, Himmel und Hölle und ewigem Leben.

Von kirchenpoltischer Bedeutung war eine andere Regensburger Premiere: Zum ersten Mal fanden sich im offiziellen Katholikentagsprogramm Gruppen und Referenten, die sonst dem "Forum Deutscher Katholiken" zuzurechnen sind. Der Zusammenschluss eher traditionalistisch orientierter Katholiken und Katholikinnen versteht sich innerhalb der sich immer pluraler darstellenden katholischen Landschaft in Deutschland ausgesprochen-unausgesprochen als eine Art Gegenkraft zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als dem vermeintlichen Repräsentant eines "reformistischen" kirchlichen Mainstreams. Seit 2001 veranstaltet das "Forum Deutscher Katholiken" seinen eigenen, allerdings deutlich kleineren "Katholikentag", den so genannten Kongress "Freude am Glauben".

Das mit Blick auf eine Aussage von Papst Franziskus gewählte Thema und Leitwort für den diesjährigen Kongress Ende Juli in Fulda "Der Mensch ist gefährdet - was kann ihn retten?" spiegelte sich auch in einer Veranstaltung des offiziellen KatholikentagsProgramms wider, hier allerdings überschrieben mit einem zentralen Begriff aus der Rede vor dem Bundestag des emeritierten Papstes Benedikt XVI. bei seiner Deutschlandreise 2011: die "Ökologie des Menschen".

Auf dem von der "Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht München" verantworteten und mit acht Personen durchaus üppig besetzten Podium (Publikumsbeteiligung war nicht vorgesehen) saßen unter anderen der emeritierte Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger, die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, die Psychotherapeutin Christa Meves, der emeritierte Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker und zwei prominente Protagonistinnen der katholischen Lebensschutzoder Lebensrechtsszene, die Psychologin Consuelo Gräfin Ballestrem und Hedwig Freifrau von Beverfoerde.

Die Kirchenreformer von "Wir sind Kirche" sind seit einigen Katholikentagen schon mit einem Stand auf der so genannten .Katholikentagsmeile" und auch im offiziellen Katholikentags-Programm mit eigenen Veranstaltungen vertreten. Zusätzliche Veranstaltungen, auch mit Referenten, die im offiziellen Programm nach Aussage von "Wir sind Kirche" nicht erwünscht waren - etwa der Vorsitzende der Pfarrer-Initiative Österreich, Helmut Schüller, oder der emeritierte Frankfurter Jesuit, Ökonom und Sozialethiker, Friedhelm Hengsbach - fanden in Regensburg zum ersten Mal unter dem Label "Katholikentag Plus" statt; früher hieß dieses "Ergänzungsprogramm" der katholischen Reforminitiativen "Katholikentag von unten".

Die drängende Frage nach unserer Wirtschafts- und Lebensweise und deren Folgen für die Weltgemeinschaft ebenso wie für die nachfolgenden Generationen bildeten dabei ebenso einen thematischen Schwerpunkt des Programms von "Katholikentag Plus", wie sich auch eine ganze Fülle von größeren und kleineren Veranstaltungen des offiziellen Katholikentagsprogramms diesem Themenkomplex gewidmet haben.


In seiner Bilanz des Regensburger Katholikentags hob Zdk-Präsident Alois Glück vor Pressevertretern besonders hervor, dass dieser Katholikentag ein starker Beitrag "zum Brückenschlag in unserer Kirche" gewesen sei. In einer bisher nicht dagewesenen Breite und Vielfalt seien sich hier Menschen und Gruppen mit den unterschiedlichsten Glaubenswegen und Frömmigkeitsformen begegnet. Man sei sich mit großer Toleranz, aber auch großer Neugierde aufeinander begegnet. Für Glück kann der Katholikentag so nicht nur beispielhaft für ein Miteinander in der Kirche sein, sondern auch für das Miteinander in einer immer pluraler werdenden Gesellschaft.

Alexander Foitzik

HERDER KORRESPONDENZ 68 7/2014

Zuletzt geändert am 04­.07.2014