Februar 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Licht aus für das christliche Abendland

Es ist schwer nachvollziehbar, warum die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEgIdA) die meisten Menschen vor allem in Dresden auf die Straße bringen, wo der Anteil der Muslime bei gerade einmal 0,4 Prozent der Einwohner liegt, aber auch nur etwa 20 Prozent einer christlichen Konfession angehören. Sind es die späten Nachwirkungen der Abschottung und Religionslosigkeit von 40 Jahren DDR-Regime? Oder ist es eine Melange aus der unbestimmten Angst vor Überfremdung, allgemeinem Hass auf die Politik „da oben“ (auch in der DDR fühlte sich Sachsen von der damaligen Hauptstadt Ost-Berlin vernachlässigt) und auf „die Lügenpresse“, Unwort des Jahres 2014? Angst, die vor allem durch fehlende Kontakte und Kenntnisse entstanden ist.

Das Gute an den PEgIdA-Demonstrationen: Mittlerweile haben sich nicht nur in Dresden, sondern in vielen deutschen Städten breite Bündnisse gebildet, die FÜR mehr Toleranz und FÜR Flüchtlinge auf die Straße gehen. Und das Kölner Domkapitel hat ein deutliches Zeichen gesetzt, als es einfach die Dombeleuchtung ausschaltete, als die dortigen „Patrioten“ den Kölner Dom als Kulisse für ihre abendliche Demonstration nutzen wollten.

Für mich gehören die Muslime zu Deutschland, die zum Teil in der zweiten und dritten Generation hier leben und deren allergrößter Teil (89 Prozent, wie eine aktuelle Bertelsmann-Studie zeigt) unser westliches Wertesystem bejahen. Vielen Menschen in Deutschland ist zu wenig bekannt, wie sehr das sogenannte christliche Abendland schon in seiner Geschichte auch durch jüdische und islamische Einflüsse, gerade in Kultur, Kunst und Wissenschaft geprägt worden ist. Deshalb ist, um Vorbehalte und Ängste abzubauen, das wechselseitige Kennenlernen so wichtig, wie es z.B. schon in den Arbeitskreisen von Christen und Muslimen geschieht. Das muss intensiviert und ausgeweitet werden.

Darüber hinaus braucht es aber einen noch viel stärkeren Dialog mit dem Islam und vor allem innerhalb des vielschichtigen Islam, damit auch dort Selbstreflexion und eine kritische Lesart der heiligen Schriften möglich werden: Aufklärung und Reformation. Das Christentum hatte auch Zeiten in seiner Geschichte, in denen in seinem Namen grauenhafte religiöse Gewalt ausgeübt wurde; und es hat lange gebraucht, sich davon zu befreien. Es bleibt zu hoffen, dass auch dem Islam dies möglichst bald gelingt, damit er nicht mehr von politischen Kräften missbraucht werden kann.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 14­.01.2015