Juni 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Ungewohnter Rechtfertigungsdruck

Die Katholikentage und Evangelischen Kirchentage, die es in dieser Art und Größe nur in Deutschland gibt, bieten im Wechsel jedes Jahr ein wichtiges Forum für die innerkirchliche Debatte, befruchten aber auch die gesellschaftlichen Diskurse. Aber wer hat die Kosten dieser Großtreffen zu tragen, die zehn und mehr Millionen Euro betragen? Bislang haben Bund, Länder und die gastgebenden Städte immer ohne viel Aufhebens ihr Scherflein in Millionenhöhe beigetragen.

Im Vorfeld des Katholikentages 2016 gab es erstmals eine heiße Debatte, bevor die ostdeutsche Stadt Leipzig - nur 4 Prozent Katholiken und 80 Prozent Konfessionslose - einen Zuschuss von etwa einer Million Euro bewilligte. Aber auch im traditionell katholischen Münster entbrannte fast ein Kulturkampf. Dort wird der Rat der Stadt nun nur mit Sachleistungen statt den gewünschten 1,2 Millionen Barmitteln den Katholikentag 2018 unterstützen.

Vor dem Hintergrund der Zufriedenheitsstudie, die das Bistum Münster als erste deutsche Diözese vorlegte, ist diese Entscheidung des Stadtrats keine Überraschung. Mehr als 10.000 Menschen haben diesem Bistum, das besonders rigorose Gemeindefusionen betrieben hat, im Jahr 2013 den Rücken gekehrt. 22 Prozent der Katholiken gelten laut Studie als austrittsgefährdet. Zahlen, die auch der Münsteraner Bischof Felix Genn als „alarmierend“ bezeichnet.

Die Debatten zeigen, dass öffentliche Zuschüsse für ein kirchliches Großereignis in Deutschland heute unter einem ungewohnten Rechtfertigungsdruck stehen. Katholiken werden gegen Kindergartenplätze aufgerechnet. Dafür ist aber nicht nur der Limburger Finanzskandal verantwortlich zu machen. Trotz der wieder stark angestiegenen Kirchenaustrittszahlen verzeichnen die beiden großen Kirchen aufgrund der guten allgemeinen Wirtschaftslage Rekordeinnahmen bei den Kirchensteuern, allein 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2013 für die römisch-katholische Kirche – von den anderen Zuwendungen aus Staats- und Sozialkassen ganz zu schweigen. Die öffentlichen Haushalte sind dagegen hoch verschuldet.

Der für Leipzig zuständige Dresdener Bischof Heiner Koch will jetzt gegenüber den Menschen vor Ort „argumentativ und transparent viel stärker in die Diskussion eintreten“. Dies sollten die Bischöfe aber auch gegenüber allen Kirchenbürgern und -bürgerinnen praktizieren. Das eigentliche Problem liegt doch in der historisch und weltweit einmaligen Tatsache, dass seit 1950 sämtliche Steuereinnahmen an die Bischöfe gehen und alle anderen von deren Wohlwollen abhängig sind. Da muss und wird sich vieles ändern!

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 16­.06.2015