26.7.2015 - Die Welt

Ziemlich schlechte Freunde / Drei Bischöfe gegen ein liberaleres Arbeitsrecht

In der katholischen Kirche Bayerns ist ein Richtungsstreit um die Liberalisierung des Arbeitsrechts entbrannt – auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Drei Bischöfe wollen an den alten Reglungen festhalten.

Die Liebe ihres Lebens verstecken? Das kam für Bernadette H. (Name geändert) nicht infrage. Die Kindergärtnerin lebt seit zehn Jahren mit einer Lehrerin an einer staatlichen Schule zusammen. Als die fragte: "Wollen wir heiraten?", antwortete Bernadette gerührt: "Ja!"

Aber: Die 35-Jährige ist in einer kirchlichen Einrichtung im Bistum Passau angestellt. Aus der anfänglichen Freude über den schönsten Tag ihres Lebens wurde so für sie und ihre Partnerin ein alltäglicher, unwürdiger Spießrutenlauf.

Wer einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber unterschreibt, unterschreibt damit auch, dass er sich den moralischen Ansprüchen beugt, die die Kirche an das Privatleben ihrer Arbeitnehmer stellt. Bisher war es so, dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft wie im Fall von Bernadette H. oder auch die Wiederheirat von geschiedenen kirchlichen Arbeitnehmern unverzüglich zur Kündigung führte.

"Wir haben uns deshalb von einem Anwalt beraten lassen, welche Möglichkeiten es gibt, einen Sperrvermerk zu erwirken, dass der Arbeitgeber nicht informiert wird", sagt Bernadette H. Ehrlich ist das nicht. Aber anders wusste sich die Pädagogin, die ihren Job liebt, nicht zu helfen.

Die Bischöfe müssen den neuen Richtlinien zustimmen

Bernadette H. ist kein Einzelfall. In kirchlichen Arbeitsverhältnissen wurde lang und oft aus reiner Not getrickst. Jetzt aber tut sich was. In Zukunft sollen nur noch verkündigungsnahe Berufe wie Pastoralreferenten oder Religionslehrer unter den strengen Moralkodex der Kirche fallen, nicht mehr aber Mathematiklehrer, Pfleger oder Ärzte.

Zum 1. August treten für die meisten deutschen Bistümer, also auch in Bayern, neue arbeitsrechtliche Richtlinien der Kirche in Kraft. Einziger Haken: Sie müssen von den Bischöfen vor Ort bestätigt und von den Generalvikaren in den Bistumsblättern veröffentlicht werden – was der katholischen Kirche in Bayern nun intern einen veritablen Hauskrach beschert.

In kirchlichen Einrichtungen werden die Arbeitskräfte knapp

Eine Mehrheit in der bayerischen Bischofskonferenz hat sich für die Liberalisierung des Arbeitsrechts ausgesprochen – nicht immer aus brennender Leidenschaft, oft auch nur aus Einsicht in die Sachzwänge. Denn: Im Bereich der Pflege, auch bei Kindergärtnerinnen, Schuldnerberatern, Streetworkern und anderen Berufen, in denen die Kirche auch staatliche Aufgaben erfüllt, werden die Arbeitskräfte knapp. Viele Bistümer, aber auch kirchliche Träger wie Caritas oder Orden, die Krankenhäuser betreiben, klagen über Personalprobleme. Die Lebenswirklichkeit vieler Gläubiger und potenzieller Arbeitnehmer in dieser Situation zu ignorieren, halten die meisten bayerischen Bischöfe für falsch. Drei Bistümer aber legen sich quer.

Die Bischöfe aus Regensburg, Eichstätt und Passau sind dagegen

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, sein junger Passauer Kollege Stefan Oster und der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke gehen die Liberalisierung des Arbeitsrechts bislang nicht mit. Man fürchte, "dass man überhaupt keine Kündigung mehr aussprechen kann, wenn wir das ratifizieren würden", heißt es in Kirchenkreisen hinter vorgehaltener Hand.

Nach dem neuen Recht muss ein Arbeitnehmer "ein öffentliches Ärgernis" darstellen, damit ihm gekündigt werden kann. Ein mit der Materie vertrauter Kirchenmann sagt: "Wie soll das denn überhaupt aussehen? Ist es ein Ärgernis, wenn in der Zeitung steht, dass ein geschiedener Chefarzt seine neue Freundin heiratet?" Die Sorge dahinter: "Wir bekommen vor keinem Arbeitsgericht mehr eine Kündigung durch."

Alle drei Bischöfe, die sich bislang weigern, die Richtlinie zu ratifizieren, wissen, dass in Rom der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation über die Einhaltung der Lehre wacht. Er ist damit einer der Hauptwidersacher von Kardinal Reinhard Marx, Chef der Bischofskonferenz und Erzbischof von München und Freising, dessen Ordinariat die neue Richtlinie kirchenrechtlich auf Herz und Nieren prüfte.

Reinhard Marx und Gerhard Ludwig Müller werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Das Problem ist nur, dass ihr Clinch bis in die bayerische Bischofskonferenz hinein ausstrahlt.

Das neue Arbeitsrecht, schon wegen der Ausführungsbestimmungen ein Kompromiss, steht deshalb auf wackeligen Beinen. Im Gegensatz dazu sehnen sich Betroffene nach Rechtssicherheit. "Viele dieser Arbeitnehmer leben ihre Liebe heimlich", sagt Sigrid Grabmeier, Mitglied des Bundesteams der Laien-Organisation "Wir sind Kirche": "Oft wird das durch den örtlichen Pfarrer oder den Dienststellenleiter gedeckt. Aber genau das ist für die Leute ein Problem: Wenn der nächste Pfarrer kommt, kann das ganz anders sein." Und dann?

Auch über Dr. Markus F. (Name geändert), 40, Arzt in einem kirchlichen Krankenhaus im Bistum Regensburg schwebt das Damoklesschwert. Ärzte können sich ihre Stelle angesichts der hohen Nachfrage im Prinzip aussuchen. Aber: Der geschiedene Mediziner will wieder heiraten.

Bislang hat er sich keine Gedanken darüber gemacht, was das für seine Stelle als Oberarzt bedeuten würde. Doch auch ihm ist klar, dass schon der Gang vors Standesamt die Gefahr einer Kündigung mit sich bringt. "Ich werde mir eine neue Stelle suchen", sagt der Mediziner. Kann, will die Kirche sich das leisten?

Der Arzt wird aus der Kirche austreten

Ausgerechnet der so jugendlich wirkende Passauer Bischof Oster hat nun über Facebook noch eins draufgesetzt: "Mit dem neuen Textvorschlag geben wir aus meiner persönlichen Sicht ein Mittel aus der Hand, dem fortschreitenden Säkularisierungsprozess in unseren Einrichtungen noch halbwegs entgegenzuwirken", mahnt Oster, von dem sich viele eine Öffnung der Kirche versprochen haben. Ihn aber treiben gegenteilige Überlegungen: "Ist wirklich Glaube drin, wo Kirche draufsteht. Oder haben wir das Ringen um das katholische Profil vielfach eh schon verloren?", postete er.

Die nackten Zahlen geben Osters konservativem Kurs auf den ersten Blick recht: Stieg die Zahl die Kirchenaustritte 2014 auf astronomische 217.000 Ex-Schäflein in Deutschland, verlor Osters Bistum Passau, Deutschlands katholikenstärkstes Bistum, in Relation zu den anderen am wenigsten. Dennoch war die Zahl der Austritte ausgerechnet im Jahr nach seinem Amtsantritt so hoch wie nie.

Vielleicht deshalb finden sich bei ihm, neben all den markigen Tönen, gelegentlich auch versöhnlichere. "Wir sind nicht in der großen Opposition zum Rest der Bischofskonferenz, sondern im guten Gespräch und im ehrlichen Ringen miteinander", beschreibt Oster den aktuellen Diskurs.

Arzt Markus F. findet es dennoch traurig: "Ich glaube, dass die Kirche gerade in den Krankenhäusern sehr gute Arbeit leistet. Dort, wo es Menschen schlecht geht, sollte sie doch sein." Aber: "Ich will mich nicht zwischen der Liebe zu meinem Job und der Liebe zu meiner neuen Partnerin entscheiden müssen." Den Gang zum Standesamt will der Mediziner deshalb auch gleich mit einem Gang zum Einwohnermeldeamt verbinden – und aus der Kirche austreten.

http://www.welt.de/regionales/bayern/article144405299/Drei-Bischoefe-gegen-ein-liberaleres-Arbeitsrecht.html

Zuletzt geändert am 28­.07.2015