Kirche In 11/2015

Das Kreuz mit Liebe, Ehe und Sexualität

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Mit seiner vielgelobten Umweltenzyklika und seiner aufsehenerregenden Kuba-USA-Reise hat Papst Franziskus seinen Ruf als weltweite moralische Stimme gefestigt, die weit über die eigenen Kirchengrenzen hinaus gehört wird. Steht dies alles auf dem Spiel, wenn es jetzt bei der Synode der Bischöfe zur Familie in Rom nicht gelingen sollte, die innerkirchlichen Gräben in der kirchlichen Sexuallehre zu überwinden? Aus Rom berichtet CHRISTIAN WEISNER.

Drei lange Wochen lang tagen 270 Bischöfe aus aller Welt sowie 89 weitere Teilnehmer, "Laien" oder Experten über das Thema "Berufung und Mission der Familie in der Kirche und der Welt von heute". Aber nur 17 Ehepaare sind dabei und die haben nur Rede- aber kein Stimmrecht. Es sind nur wenige, wie der englische Bischof Peter Doyle, die ihre Unkenntnis der Familienwirklichkeit auch offen eingestehen.

Schon jetzt ist es ein großes Verdienst der Familiensynode und vor allem des Papstes, dass die Kirche das Familienleben mit all seinen Konflikten und Herausforderungen auch angesichts der globalisierten Wirtschaft und der Migrations- und Flüchtlingsbewegungen in den Blick genommen hat. In der öffentlichen Diskussion dominieren aber vor allem die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen dürfen und ob homosexuelle Partnerschaften anerkannt werden. Wird diese Synode aber die Überfixierung der katholischen Lehre auf die Sünde überwinden können?

Die Strategie des Papstes

Bisher fanden Bischofssynoden – es gibt sie seit 50 Jahren - quasi unter Aufsicht des obersten Glaubenswächters, des Präfekten der Glaubenskongregation statt, der mit am Präsidiumstisch saß. Papst Franziskus geht neue Wege, setzt auf die offene Debatte und mahnt immer wieder dazu, mit Freimut zu sprechen und mit Demut zuzuhören. Jetzt sitzt Kardinal Gerhard Ludwig Müller, derzeitiger Glaubenspräfekt, eingereiht in der fünften Reihe zwischen den anderen Synodenvätern. Höchst interessant auch zu beobachten, wie locker und doch souverän Papst Franziskus sich in der Synodenaula bewegt und mit den Teilnehmern den Kontakt sucht.

Zum Prozedere dieser Synode gibt es allerdings noch Klärungsbedarf. Unklar ist, ob Papst Franziskus am Ende ein Schlusswort spricht, das auch ein Machtwort sein könnte. Oder aber ob er die Bischöfe in ihren jeweiligen Kulturbereichen zum Beispiel auf Kontinental- und Nationalsynoden die heiklen Detailfragen regeln lässt. Etwas, was manche befürchten, andere erhoffen, was aber wohl sehr der Intention von Franziskus nach Dezentralisierung und kultureller Einbindung der kirchlichen Lehre entsprechen würde. Man darf gespannt sein.

Die deutschsprachige Gruppe

In der deutschen Sprachgruppe treffen so unterschiedliche Personen und Positionen wie der "Chefdogmatiker" Kardinal Müller ("die Ehe ist unauflöslich"), der ehemalige Kurienkardinal Walter Kasper ("Barmherzigkeit für geschiedene Wiederverheirate") und Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ("Wir sind keine Filialen von Rom") aufeinander. Dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn scheint die Aufgabe des Moderierens zu gelingen.

Wird es der deutschen Gruppe in 40 Sitzungsstunden gelingen, theologische Brücken zwischen Lehre und Praxis, zwischen Kirchenrecht und Barmherzigkeit zu bauen? Werden Sie möglicherweise den theologischen "Stein der Weisen" für die gesamte Synode finden (müssen)? Die besonders strittigen Fragen der pastoralen Wege für geschiedene Wiederverheiratete und Homosexuelle standen allerdings erst in der dritten Synodenwoche an.

"Bischöfe, folgt dem Papst!"

Eine Woche vor Synodenbeginn hatten mehr als 50 Reforminitiativen aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Australien einen Appell "Folgt Papst Franziskus auf dem Weg des Dialogs und der Reform!" an die Kardinäle und Bischöfe gerichtet und zu Beginn der letzten Synodenwoche noch einmal wiederholt. Der Appell umreißt die grundlegenden Probleme von katholischen Familien in der ganzen Welt:
* Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Familie, insbesondere die der Kinder und Frauen, die am meisten gefährdet sind, sollten von der Synode intensiv berücksichtigt werden.
* In Bezug auf die geschiedenen Wiederverheirateten und ihre Zulassung zur Eucharistie sollte die Praxis der frühen Kirche wieder aufgenommen werden, wie es auch in der orthodoxen Kirche getan wird.
* Bezüglich des Motu proprio (Apostolisches Schreiben) von Franziskus zum kirchenrechtlichen Prozess der Ehenichtigkeit wird die Vereinfachung des Verfahrens begrüßt, wenn auch das Konzept der Ehenichtigkeit als solches kritisch gesehen wird.
* Homosexuelle Menschen und gleichgeschlechtliche Paare sind als vollwertige Mitglieder der Kirche mit allen Rechten und Pflichten zu betrachten.
* Die in der Enzyklika "Humanae vitae" von 1968 enthaltenen Vorschriften zur Empfängnisverhütung sind von der Mehrheit des Kirchenvolkes nicht als Glaubensgut angenommen worden; die Kirche hat die Gewissensentscheidung von Paaren zu respektieren.
* Die Synode sollte eine klare und öffentliche Botschaft der Buße an die Überlebenden sexueller Gewalt durch Kleriker und deren Familien richten.

Doktrin oder nur Disziplin?

Die Synodenväter wissen hoffentlich um ihre große Verantwortung. Es braucht eine Weiterentwicklung der Theologie, das ist ein schwieriger, aber auch spannender Prozess. Jesus Wort von der Unauflöslichkeit der Ehe ist im historischen Kontext zu verstehen. Die katholische Kirche hat jetzt ein großes Problem, weil sie bestimmte Dinge der Disziplin in Dogmen festgeklopft hat. In der Ehelehre zu behaupten, das sei alles schon seit 2000 Jahren so, ist unbiblisch und unhistorisch. Jetzt braucht es eine Theologie der Barmherzigkeit. Das gilt für Ehepartner, die nach einer schweren Krise einen neuen Anfang wagen, ebenso wie für Priester, die den Zölibat nicht einhalten können. Die Fixierung der kirchlichen Lehre auf die Sünde muss überwunden werden.

Schon in der Synode 2014 sind verschiedene Kulturen mit zum Teil recht unterschiedlichen Auffassungen über Ehe und Familie aufeinandergestoßen. Ein möglicher Ausweg wäre, zwischen einer universalen Kernbotschaft und entsprechenden kulturellen Ausformungen von Theorie und Praxis zu unterscheiden. Damit könnte entsprechend den unterschiedlichen Weltkulturen ein differenzierteres Verständnis von Sexualität, Ehe und Familie entwickelt werden.

Die Familiensynode bleibt ein Testfall. Franziskus setzt auf die "Symphonie der Differenzen". Nach langen Jahren der Restauration unter den beiden Vorgängerpäpsten wird sich die römisch-katholische Weltkirche hoffentlich wieder als dialogfähig und erneuerungsbereit zeigen. So wie es das Zweite Vatikanische Konzil wollte, dessen 50jähriges Jubiläum sechs Wochen nach Ende der Synode begangen wird. Alles andere wäre eine riesige Enttäuschung und würde die Menschen im Stich lassen. Die Auswanderung aus der Kirche würde sich noch beschleunigen.

Christian Weisner ist Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" und Berichterstatter für "Kirche in" aus Rom über die beiden Bischofssynoden zum Thema Familie 2014 und 2015.

Bildunterschriften:

Universale Kernbotschaft & kulturelle Ausformungen Kardinal DiNardo (Galveston-Houston) im Gespräch mit Kardinal John Njue (Nairobi) bei der Weltbischofssynode

Papst Franziskus vor der letzten Sitzung der Synode

Zuletzt geändert am 07­.11.2015