Oktober 2016 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Letzte Gespräche – Letzte Gefechte?

Ist es eine schöne Überraschung? Oder ein Buch, das es lieber nicht hätte geben sollen? Genau zum zehnten Jahrestag der nicht unproblematischen Regensburger Rede wurde „Letzte Gespräche“, das vierte Interview-Buch mit Joseph Ratzinger/Papst Benedikt, mit großem Werbeaufwand auf den Markt gebracht. Als einen „der bedeutendsten Päpste überhaupt“ lobt Peter Seewald seinen Gesprächspartner in höchste theologische Höhen, als „Kirchenlehrer der Moderne, wie es ihn nicht mehr geben wird“.

Es ist gut, dass Benedikt, der für manche noch immer der „richtige“ Papst ist, sich darin klar zu seinem Rücktritt bekennt. Ob er sein Haus so wohlbestellt zurückgelassen hat, wie er es selber sehen möchte, darüber werden viele und vielleicht auch die Geschichte anders urteilen. Er, der im Amt so kühl und abweisend wirkte, kommt in dem Buch ganz menschlich rüber. Ja, er bekennt sich sogar dazu, dass die klare, zielstrebige Regierungsführung und das praktische Regieren nicht so seine Sache waren. Allerdings, gegen seinen Willen ist jahrzehntelang niemand Bischof geworden. Doch das Bild eines Großinquisitors, das manche von ihm zeichneten, sei verfehlt, betont Kurienerzbischof Georg Gänswein, sein früherer und jetziger Privatsekretär, der extra zur Buchvorstellung nach München gekommen war.

Mit der Kirche in Deutschland geht Benedikt hart ins Gericht. Doch als gut bezahlter deutscher Professor und späterer Münchner Erzbischof muss er sich selber fragen lassen, was er damals gegen den jetzt von ihm kritisierten „hoch bezahlten deutschen Katholizismus“ unternommen hat, von dem auch er lange profitierte.

Nach ersten Kritiken am neuen Buch sehen Gänswein und Seewald den emeritierten Papst als Opfer eines neuen Papst-Bashings. Doch das haben sie mit der Veröffentlichung dieser Verteidigungsschrift selber provoziert, die sich an manchen Stellen wie eine neue Kampfschrift liest. Denn eigentlich hatte sich niemand mehr groß mit dem zurückgetretenen Papst beschäftigt.

Für die Zukunft am gefährlichsten sind die Passagen über Papst Franziskus, dem er zwar Entschiedenheit und Herzlichkeit zugesteht, ihn damit theologisch aber kleinredet. Ihn hatte er, wie er selber sagt, nicht als Nachfolger im Blick gehabt hat, obwohl dieser doch der Zweitplazierte im Konklave 2005 war. Bergoglio ist ganz sicher nicht der von ihm gewünschte Nachfolger.

Freunde wie „Nichtfreunde“, eine neue Wortschöpfung Benedikts, sie alle werden sich in dem Buch bestätigt finden. Aber es ist kein guter Stil, wie Ratzinger/Benedikt mit diesem Buch (ähnlich wie mit dem Jesus-Buch) mit der Autorität des Papstamtes uns allen jetzt sowie auch zukünftigen Generationen seine Sicht der Dinge aufzuzwingen versucht.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 19­.09.2016