9.3.2007 - Publik Forum

Trippeln auf heiklem Parkett

Der Weg zur Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu bleibt ein mühsames Geschäft: Bislang fehlt ein überzeugendes Signal des Aufbruchs

Bei vielen Delegierten und Beobachtern ist die Skepsis größer als die Zuversicht. Könnte es sein, dass die vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) organisierte Dritte Europäische Ökumenische Versammlung vom 4. bis 9. September im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) zwar für viele Beteiligte ein bedeutsames Ereignis sein mag, die Öffentlichkeit davon aber kaum Kenntnis nehmen wird? »Was soll da schon inhaltlich herauskommen?«, fragt einer, der den ganzen Vorbereitungsprozess begleitet, fast schon resigniert. Es gebe kein klares Ziel, moniert er, und ob überhaupt eine Schlussbotschaft formuliert werde, sei unklar.

Der Kirchenmann äußert diese persön¡Eliche Einschätzung am Rande des zweiten Vorbereitungstreffens für Sibiu, zu dem kürzlich in der Lutherstadt Wittenberg rund 150 Delegierte aus über 40 Kirchen Europas zusammengekommen waren. Offiziell würde er anders reden. Von anderen ist zu hören, ängstliche Kirchenleitungen wollten den ganzen Prozess kontrollieren – gemeint sind dabei vor allem die katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen. Die wollten keinen Kirchentag wie 1997 in Graz, wo Tausende engagierte Teilnehmer mitdiskutiert hätten, sondern nur eine Kirchenkonferenz, urteilt einer dieser Beobachter. Und muss Papst Benedikt XVI. just zur selben Zeit in den österreichischen Marienwallfahrtsort Maria Zell reisen? Er könnte Sibiu durchaus die öffentliche Aufmerksamkeit stehlen.

Rund 2500 Delegierte werden in Sibiu erwartet, für mehr ist aus rein logistischen Gründen kein Platz. »Aber unter diesen Delegierten sind auch sehr viele Vertreter von Basisinitiativen«, stellt der evangelische Pfarrer Michael Riedel-Schneider klar, der für die EKD diesen »ökumenischen Pilgerweg«, wie das Projekt offiziell heißt, organisiert; in Graz seien es insgesamt nur rund 700 Delegierte gewesen. Der Pfarrer weist die immer wieder zu hörende Kritik an einer mangelnden Beteiligung der kirchlichen Basis entschieden zurück. Regina Claas, Delegierte des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten), sagt, was viele Basischristen – darunter die katholische Kirchenvolksbewegung in Deutschland – erwarten: vorwärtsweisende, zeichenhafte Handlungen in der Politik und in den Kirchen. Das aber gelte nicht unbedingt für manche Kirchenführer.

Bei einem Vorbereitungstreffen Ende letzten Jahres in Loccum hatten die deutschen Delegierten die Themen des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die 1989 bei der Ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel eine große Rolle gespielt hatten, noch einmal politisch ausbuchstabiert und eine Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier und ziviler Konfliktlösungen gefordert, politische Regeln für ein gerechteres ökonomisches Handeln und die Einführung eines kirchlichen Umweltmanagements.

Eher fraglich ist, ob das Treffen in Sibiu den erhofften konkreten politischen wie theologischen »Schub nach vorne« bringen wird. Die Vorbereitungskonferenz in Wittenberg jedenfalls strahlte nicht viel Aufbruchsstimmung aus. Die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann wertete das Treffen zutreffend als »ernüchternd« und konstatierte, dass es »uns bisher nicht gelungen ist, in Europa ein überzeugendes Signal zu setzen, durch das die Menschen erkennen: Die Kirchen sind die entscheidende Stimme für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung«.

Das mag auch daran liegen, dass die Ökumene in Europa von deutlichen Ungleichzeitigkeiten geprägt ist. Die einen feiern es bereits als Fortschritt, wenn die Kirchen überhaupt miteinander reden und ein lutherischer Bischof in einer orthodoxen Kirche den Segen spenden darf – und umgekehrt. Die Ökumene sei ein langer Prozess, der viel Geduld erfordere, mahnte der ungarische CCEE-Präsident, Kardinal Peter Erdö. Andere wollen sich damit nicht zufriedengeben. So erklärte Bischöfin Käßmann in ihrer Abschlusspredigt, es reiche nicht länger, »dass wir uns freundlich begegnen; die Menschen in unseren Gemeinden, ja, die Menschen in Europa und der Welt haben Sehnsucht nach einer Kirche, die ihre Vielfalt und Verschiedenheit fröhlich bejaht und doch gemeinsam Zeugnis gibt von Jesus Christus«. Und auch der deutsche Bundespräsident Horst Köhler nahm kein Blatt vor den Mund, als er zu einem Grußwort in Wittenberg erschien. »In den Gemeinden bleibt der Wunsch nach mehr Gemeinschaft, nach größerer Annäherung«, sagte der Protestant Köhler, »das gemeinsame Abendmahl ist ein großes Thema.« Ihm scheine, erklärte Köhler, »die Ökumene braucht neuen Schwung«.

Doch welchen? Theologische Kontroversfragen werden in Sibiu nicht entschieden werden. Gegenseitige Anerkennung der Taufe? Man wird sie einfordern als weiteres Zeichen der ökumenischen Einigung, doch wird das Thema dann offiziellen Kirchen- und Theologenkommissionen vorbehalten bleiben. Das gemeinsame Abendmahl? Es ist in weiter Ferne. »Das ist für uns in Rumänien kein Thema«, befand Pfarrerin Elfriede Dürr aus Sibiu. In ihrem Land suche man eher nach einer Zusammenarbeit der Kirchen beim Umweltschutz und in sozialpolitischen Fragen, wie der rumänisch-orthodoxe Erzbischof Daniel von Moldavia und Bucovina ergänzte.

Wird die Einheit der Kirchen also sichtbarer werden? Die reformatorischen Kirchen können sich eine Einheit nur »auf Augenhöhe« vorstellen, wie Thomas Wipf, Präsident der Gemeinschaft Evangelischer ¡EKirchen in Europa und Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, unterstreicht. Auffällig ist, dass insbesondere die reformatorischen Kirchen wieder mehr die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Kirchen betonen und sogar als gottgewollt betrachten. Einheit als »versöhnte Verschiedenheit« – das ist ihre Vision. Diese Kirchen haben Angst, von den Katholiken und den Orthodoxen an den Rand gedrängt zu werden. Vor jeder Einheitsrhetorik wollen sie erst einmal als legitime Kirchen Jesu anerkannt werden. Wer wollte ihnen diesen Wunsch verdenken?

Eine zentrale Herausforderung ist die Säkularisierung in Europa. Von ihr sind alle Kirchen betroffen – inzwischen zunehmend auch die orthodoxen Kirchen in den osteuropäischen Ländern, die sich mit dieser Entwicklung zum Teil aber noch sehr schwertun; vor allem die russische Orthodoxie versucht sich gegen diese »gefährlichen westlichen Einflüsse« abzuschotten. Da ist es schon bemerkenswert, wenn mit Erzbischof Jeremiasz von der Selbstständigen Orthodoxen Kirche Polens ein Vertreter der orthodoxen Fraktion die Säkularisierung nicht nur negativ betrachtet, sondern sie als extremen Ruf nach Autonomie und Freiheit und »vielleicht sogar notwendig« bezeichnet. Für andere orthodoxe Stimmen gibt es allerdings nur eine Antwort: verstärkte Mission. Man will »die Seele Europas« retten. Wenn es so einfach wäre …

Ein strittiges Thema zwischen Ost und West sind die Menschenrechte, weil die orthodoxen Kirchen eine Art »kollektiver Menschenrechte« vertreten und dem westlichen Konzept individueller Menschenrechte, das dann etwa auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beinhaltet und zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften führt, kritisch gegenüberstehen und es zum Teil auch scharf ablehnen.

Bewahrung der Schöpfung? Auf diesem thematischen Feld, so der Eindruck nach Wittenberg, wird man sich am ehesten verständigen können. In Italien etwa haben sich alle in einem Ökumenischen Rat zusammengeschlossenen Kirchen darauf verständigt, am 1. September eines jeden Jahres einen »Tag des Naturschutzes« zu begehen und mit Veranstaltungen in der Woche darauf Themen des Umwelt- und Naturschutzes aufzugreifen. In Sibiu wolle man vorschlagen, dass die Kirchen in allen Ländern Europas künftig diesen Tag begehen, berichtete der katholische Bischof von Terni, Vincenzo Paglia. In Fragen der Umweltverantwortung kann man deshalb am ehesten an einem Strang ziehen, weil auch die orthodoxe Tradition mit ihrer besonderen Schöpfungsspiritualität hier inspirierend wirkt.

Fazit: Die Ökumene in Europa ist ein fragiles Parkett. Auf dem Weg zur Verständigung trippelt man eher – die einen, weil sie vorsichtig sind und es so wollen, die anderen, weil sie notgedrungen müssen. Der Weg nach Sibiu bleibt ein mühsames Geschäft.

Hartmut Meesmann

Zuletzt geändert am 11­.03.2007