23./24.3.2017 - Main-Post

Laien und Kleriker an der Spitze / Von Laien und Klerikern

Im Erzbistum München startet ein Pilotprojekt: Laien und Priester teilen sich gleichberechtigt die Leitung einer Pfarrei. Dazu gibt es klare Meinungen aus der Region.

Erzbischof Kardinal Reinhard Marx bezeichnete es als großen Umbruch, „den wir erleben in der Geschichte der Kirche“. Am Montag stellte er das Pilotprojekt im Erzbistum München und Freising vor: In ausgewählten Pfarreien sollen neue Modelle erprobt werden, bei denen Teams aus Priestern sowie haupt- und ehrenamtlichen Laien an der Spitze stehen und sich die Leitung teilen sollen. Es sei notwendig, „neue Wege zu gehen, um deutlich zu machen: Die Kirche muss vor Ort bleiben“, sagte Marx (wir berichteten). Dass die Kirche vor Ort bleiben muss – „diese Erkenntnis des Erzbischofs kommt spät, aber immerhin“, ist die erste Reaktion von Magnus Lux aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt), einer der Bundessprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“. In Würzburg wäre sie vor mindestens 15 Jahren notwendig gewesen, „als die Pfarrbeauftragten abserviert wurden“, so Lux.

“Schritt in die richtige Richtung“

Der Würzburger Theologe Wunibald Müller verweist darauf, dass alle, die getauft sind, nach den Aussagen des 1. Petrusbriefes (2,9) als Gemeinschaft ein königliches Priestertum bilden. Das sei die Grundaussage des Neuen Testaments. Aus dieser Priesterschaft würden Personen berufen, die besondere Aufgaben in dieser Gemeinschaft wahrnehmen, unter anderem die liturgische Leitung. „Von Laien oder Klerikern ist – jedenfalls in der frühen Kirche – nicht die Rede“, betont Wunibald Müller.

Für ihn ist die Münchner Entscheidung, „dass in Zukunft die Priester sich die Leitung der Pfarrei mit den Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen teilen, ein Schritt in die richtige Richtung“. Die Kirche kehre damit wieder mehr zu ihrem Anfang zurück und beginne, „die unheilvolle Trennung – hier die Kleriker, die in der Rolle des Hirten etwas Besonderes sind –, dort die Laien, die die Schafe sind, zu korrigieren“.

Verantwortung übernehmen auf Augenhöhe

Das ist laut Wunibald Müller genau das, was die Kirche im Augenblick braucht: „Gemeinsam als königliche Priesterschaft sich in dieser Krise zu unterstützen, aufeinander zu hören, miteinander zu überlegen, wie es weitergeht, miteinander Verantwortung in der Leitung zu übernehmen und das auf Augenhöhe.“ Vielleicht müsse die Kirche manchmal erst durch eine Krise gezwungen werden, notwendige Korrekturen durchzuführen, um dadurch wieder näher an das herangeführt zu werden, was ihrem eigentlichen Auftrag entspricht, so Wunibald Müller.

Der Theologe erinnert sich: „Als ich vor etwa einem Jahr das erste Mal davon hörte, das man sich in München mit solchen Überlegungen beschäftigt, sagte ich spontan, der Heilige Geist weht ja doch noch in der Kirche. Ich hoffe, dass er nicht nur in der Erzdiözese München weht, sondern dieses Modell auch von anderen Diözesen, darunter auch der Diözese Würzburg, aufgegriffen wird“, so Müller.

Auf Nachfrage, wie die Würzburger Bistumsleitung über die Ankündigung aus München denkt, verweist Bistumssprecher Bernhard Schweßinger auf den Brief von Bischof Friedhelm Hofmann, den er vor wenigen Wochen an alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter geschickt hat. Ebenso auf ein Papier aus der Herbstvollversammlung des Diözesanrats von Oktober 2016. Auch dort wurde über die Erprobung zukunftsfähiger Leitungsmodelle beraten. Eines dieser Modelle bezieht sich auf die Gemeinde innerhalb einer Pfarreiengemeinschaft, das andere auf die pastoralen Räume, also die Zusammenlegung der Gemeinden in Großpfarreien.

Neues berufliches Einsatzfeld und Profil

Der Diözesanrat schlägt vor, dass „Frauen und Männer als Team gemeinsam Leitung und Verantwortung für ihre Gemeinde . . . übernehmen“. Dazu würden engagierte Gemeindemitglieder durch den Bischof beauftragt. Was die pastoralen Räume anbelangt, spricht der Diözesanrat von einem neuen beruflichen Einsatzfeld und Profil, das für erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etabliert werde. Sie sollen die Pfarrer mit ihren Erfahrungen, Kompetenzen und Charismen in deren anspruchsvollen Leitungsaufgaben unterstützten. Der Ansatz von Kardinal Marx von einem gleichberechtigten Team, bei dem keiner der Chef sei, kommt weder bei den Überlegungen des Würzburger Diözesanrats noch im Brief des Bischofs explizit vor: „Die Leitung dieser neuen pastoralen Räume wird weiterhin in den Händen eines Pfarrers liegen. Dies legt sich aus rechtlicher Perspektive nahe, ist mir aber auch theologisch ein Anliegen“, so der Bischof. Und: Die neuen Leitungsstrukturen könnten aber nicht nur auf die Gesamtleitung beschränkt bleiben. „Ausdrücklich möchte ich dazu ermutigen, nach geeigneten Modellen für die Leitung zu suchen und sie zu erproben“, so Bischof Hofmann.

“Kirche ist dort, wo Gemeinde ist“

Magnus Lux von „Wir sind Kirche“ betont in seinem Statement, dass Kardinal Marx, „der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist“, keine Not- und Ersatzlösungen wolle, sondern einen „Weg, der offen ist für Veränderungen und Lernen“. Dieser Weg ist laut Magnus Lux dringend notwendig.

Aber, so fragt Magnus Lux, „ist Marx wirklich auch bereit zum Lernen? Dann müsste er sich auf den Weg machen und sehen, dass die Charismen, die Gaben Gottes, die eine Gemeinde zur Kirche vor Ort macht, alle auf einer Ebene liegen. Kirche ist dort, wo Gemeinde ist, nicht dort, wo der Priester ist, der alle anderen Charismen überragt“, sagt Lux und verweist auf die Bibel: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Das Wort Jesu beim Abendmahl „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ sei an die versammelte Gemeinde gerichtet, nicht an einen Priester. „Doch wenn heute Gemeinde Eucharistie feiert, ist sie laut Kirchenrecht immer noch auf einen der wenigen vorhandenen Priester angewiesen“, so Magnus Lux.


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Zuletzt geändert am 24­.03.2017