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Veröffentlicht am 04­.07.2017

4.7.2917 - kath.ch

Affront oder normaler Vorgang? Diskussion über Ablösung von Kardinal Müller läuft

Rom/Bonn/Salzburg, 4.7.17 (kath.ch) Nach der Ablösung des deutschen Kurienkardinals Gerhard Ludwig Müller an der Spitze der Glaubenskongregation gehen die Diskussionen und Spekulationen weiter. Dabei kritisierte der frühere Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, den Führungsstil und die Personalpolitik von Papst Franziskus und sprach von «personalpolitischen Brachialmassnahmen». Für andere ist der Schritt konsequent.

Gottfried Bohl

Aus dem Vatikan gab es auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zunächst keine Bestätigung dafür, dass es künftig keine Verlängerung der Amtszeit von leitenden Kurienkardinälen über fünf Jahre hinaus mehr geben soll. Ein entsprechender Vorschlag war offenbar im Rahmen der Kurienreform ins Gespräch gebracht worden.

Nähere Angaben hatte es bisher dazu allerdings nicht gegeben. Müller hatte am Wochenende gesagt, der Papst habe ihm mitgeteilt, dass er dazu übergehen wolle, die Amtszeiten generell auf fünf Jahre zu begrenzen, «und da war ich der Erste, bei dem er das umgesetzt hat».

Fragen zum Führungsstil des Papstes

Schmid äusserte sich im «Bayerischen Rundfunk» «schockiert» über die Ablösung des mit ihm befreundeten Kardinals. Er sei bisher der Meinung gewesen, «dass man innerkirchlich auch Spannungen bei wichtigen Themen wie der Ehe aushalten kann, ohne dass man zu personalpolitischen Brachialmassnahmen greift».
Der Papst vermittelt nur den
Eindruck von Verbindlichkeit.

Der Führungsstil des Papstes vermittele nur den Eindruck von Verbindlichkeit und Interesse am Dialog: «Aber in Wahrheit zeigt sich, dass er dann doch, wenn eine Übereinstimmung in der Sache schwer möglich ist, zu harten Massnahmen greift.» Der Papst werde versuchen, die mit der Familiensynode begonnene Öffnung weltweit umzusetzen, analysierte der frühere SPD-Spitzenpolitiker: «Ich halte das für sehr problematisch, wenn ich mir anschaue, wie die Debatte um das Thema Ehe und Familie in Westeuropa insgesamt verläuft», fügte er hinzu und verwies auf den Bundestagsbeschluss zur «Ehe für alle».

Affront gegenüber dem Papst

Nach Ansicht des Regensburger Theologen Wolfgang Beinert hat Müller das Zerwürfnis mit dem Papst selbst herbeigeführt. Beinert verwies dabei auf ein Interview mit der französischen Zeitung «La Croix». Darin habe der Kardinal 2015 seine Aufgabe als Leiter der Glaubenskongregation mit den Worten umschrieben, sein Job sei es, dem Pontifikat von Franziskus Struktur und Form zu geben. Damit habe Müller faktisch zum Ausdruck gebracht, dass der Präfekt der Glaubenskongregation das Porzellan kitten müsse, «dass der Papst zerbricht», so Beinert. Dies sei ein «Affront» gegenüber Franziskus gewesen.
Müller hat selbst ein Zerwürfnis
mit dem Papst herbeigeführt.

Beinert unterstrich, dass bis auf den Papst die Arbeitszeit im Vatikan generell auf fünf Jahre befristet sei, auch wenn diese Regel bisher bei Kardinälen «sehr selten» Anwendung gefunden habe. Auf die Frage, ob die Ablösung des bisherigen Präfekten auch als Affront gegen Benedikt XVI. zu verstehen sei, der Müller eingesetzt hatte, antwortete Beinert, dies sehe er nicht. Franziskus setze andere Akzente als sein Vorgänger und müsse sein Personal danach auswählen. Derartige Unterschiede habe es immer schon gegeben, betonte der Theologe: «Kein Papst war der Klon seines Vorgängers.»

«Folgerichtig» und Ende der Ära Ratzinger

Die Ablösung von Müller markiere einen «konsequenten Schritt» im Pontifikat von Papst Franziskus und sei einmal mehr Ausdruck jenes «entschiedenen Stil-, Politik- und Theologiewechsels», für den Franziskus steht. Das hat der österreichische Theologe Gregor Maria Hoff in einem Gastbeitrag in der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» (Online-Ausgabe) unterstrichen.

Ein Zeichen des Politikwechsels sei die Entscheidung auch insofern, als mit Luis Francesco Ladaria Ferrer ein «Mann aus der zweiten Reihe» vorgerückt sei. Die Glaubenskongregation habe damit «an Bedeutung verloren» – und die Ära Ratzinger sei auch theologisch an ihr Ende gekommen, so Hoff: «Eine Epoche geht zu Ende».

«Eine Epoche geht zu Ende.»

Die Bewegung «Wir sind Kirche» nannte Müllers Ablösung «absehbar und folgerichtig». Der Kardinal habe sich «immer wieder durch seine Belehrungen und Interpretationen des Papstamtes zum Lehrmeister über den Papst erhoben». Von Müllers Nachfolger, seinem bisherigen Sekretär Luis Francisco Ladaria Ferrer, erwartet sich die «Wir sind Kirche»-Bewegung die Einführung von «Transparenz, Gerechtigkeit und Mitgefühl». (kna/kap)

https://www.kath.ch/newsd/affront-oder-normaler-vorgang-diskussion-ueber-abloesung-von-kardinal-mueller-laeuft/

Zuletzt geändert am 04­.07.2017